„Corona ist hier eine Schande, so wie Aids“
INFEKTIONS-EXPLOSION
Indonesien entwickelt sich gerade zum „globalen Hotspot“der Pandemie, die Infektionszahlen explodieren (MOPO berichtete). Hier schildert Christian S., ein deutscher Unternehmer in Jakarta, wie er die Situation erlebt. Wir kürzen seinen Namen ab, weil er weiter in dem Land bleiben möchte.
Wie hat sich die Pandemie in Indonesien entwickelt ? Christian S.: Wir sind anfangs glimpflich davongekommen, aber jetzt mitten in der zweiten Welle. Sie fing Ende Mai, zum Ramadan-Ende, an. Die Menschen sind zum Familien-Fastenbrechen durchs ganze Land gefahren. So wurde das Virus durch Indonesien geschleppt. Man sieht an der Infektionskurve, dass ungefähr zwei Wochen später der krasse Anstieg anfing. Die Zahlen steigen ja auch immer weiter – trotz Lockdowns ...
Ja, weil einfach zu wenig Disziplin herrscht – und dafür extrem krasse soziale Gegensätze. Ein Großteil der Bevölkerung lebt ja wirklich von der Hand in den Mund. Als Tagelöhner zum Beispiel. Wenn du nicht rausgehst und Arbeit findest, kannst du den. Zu Beginn der Pandemie wurde dazu extra ein Gesetz verabschiedet, das die Meinungsfreiheit einschränkt. Es wurden auch schon Social-Media-Accounts gesperrt. Journalisten, die kritisch berichten, tun das oft nicht unter Klarnamen. Dabei gibt es viel Missmanagement, Korruption. Viele Entscheidungen fallen viel zu spät. Der aktuelle Lockdown etwa. Der kam viel zu spät, da waren die Zahlen schon zu hoch.
Es gibt hier kein Corona-Tracing. Weil die Menschen auch nicht melden, wenn sie infiziert sind. Das ist ein großer Unterschied zu Deutschland und Europa: Corona ist hier eine Schande, das wird so gesehen wie damals Aids. Es gibt Familien, die ihre Angehörigen ausgegrenzt haben. Viele, die irgendwie doch registriert werden, geben deshalb auch keine weiteren Kontakte an.
Doch. Sogar extra Unterkünfte für Infizierte: Im Jahr 2018 waren in Jakarta die AsienSpiele, dafür wurde eine Art olympisches Dorf errichtet. Das wurde nun umfunktioniert und man hat Infizierte dorthin gebracht. Aber davor hatten viele Angst. Es hieß sogar, dass Schwangere dort entbinden müssen, wenn sie positiv sind.
Das Stigma und die Angst vor Isolation führen also zum Verheimlichen der Krankheit?
Ja. Und natürlich die Tatsache, dass viele Menschen keine Versicherung haben. Die können sich eine Behandlung schlicht nicht leisten.
Corona-Tests sind in Indonesien per se nicht umsonst. Ein Test kostet um die 100 Euro. Und auch erst, seitdem die Regierung das gedeckelt hat, davor war es noch mehr. Nur die Sozialkrankenhäuser testen kostenlos, die sind aber heillos überfüllt.
Ja. Es gibt Videos von Patienten, die hinten auf Pick-upLadeflächen liegen, vor den Krankenhäusern. Die haben keine Chance reinzukom