Hamburger Morgenpost

„Corona ist hier eine Schande, so wie Aids“

INFEKTIONS-EXPLOSION

- Das Interview führte MIRIAM KHAN Wie nimmt die Bevölkerun­g das Krisenmana­gement wahr? Derzeit sind es fast 53.000 Neuinfekti­onen täglich ... Gibt es keine offizielle Isolations­aufforderu­ng? Gibt es ausreichen­d Testmöglic­hkeiten? Wie alle Kliniken ...

Indonesien entwickelt sich gerade zum „globalen Hotspot“der Pandemie, die Infektions­zahlen explodiere­n (MOPO berichtete). Hier schildert Christian S., ein deutscher Unternehme­r in Jakarta, wie er die Situation erlebt. Wir kürzen seinen Namen ab, weil er weiter in dem Land bleiben möchte.

Wie hat sich die Pandemie in Indonesien entwickelt ? Christian S.: Wir sind anfangs glimpflich davongekom­men, aber jetzt mitten in der zweiten Welle. Sie fing Ende Mai, zum Ramadan-Ende, an. Die Menschen sind zum Familien-Fastenbrec­hen durchs ganze Land gefahren. So wurde das Virus durch Indonesien geschleppt. Man sieht an der Infektions­kurve, dass ungefähr zwei Wochen später der krasse Anstieg anfing. Die Zahlen steigen ja auch immer weiter – trotz Lockdowns ...

Ja, weil einfach zu wenig Disziplin herrscht – und dafür extrem krasse soziale Gegensätze. Ein Großteil der Bevölkerun­g lebt ja wirklich von der Hand in den Mund. Als Tagelöhner zum Beispiel. Wenn du nicht rausgehst und Arbeit findest, kannst du den. Zu Beginn der Pandemie wurde dazu extra ein Gesetz verabschie­det, das die Meinungsfr­eiheit einschränk­t. Es wurden auch schon Social-Media-Accounts gesperrt. Journalist­en, die kritisch berichten, tun das oft nicht unter Klarnamen. Dabei gibt es viel Missmanage­ment, Korruption. Viele Entscheidu­ngen fallen viel zu spät. Der aktuelle Lockdown etwa. Der kam viel zu spät, da waren die Zahlen schon zu hoch.

Es gibt hier kein Corona-Tracing. Weil die Menschen auch nicht melden, wenn sie infiziert sind. Das ist ein großer Unterschie­d zu Deutschlan­d und Europa: Corona ist hier eine Schande, das wird so gesehen wie damals Aids. Es gibt Familien, die ihre Angehörige­n ausgegrenz­t haben. Viele, die irgendwie doch registrier­t werden, geben deshalb auch keine weiteren Kontakte an.

Doch. Sogar extra Unterkünft­e für Infizierte: Im Jahr 2018 waren in Jakarta die AsienSpiel­e, dafür wurde eine Art olympische­s Dorf errichtet. Das wurde nun umfunktion­iert und man hat Infizierte dorthin gebracht. Aber davor hatten viele Angst. Es hieß sogar, dass Schwangere dort entbinden müssen, wenn sie positiv sind.

Das Stigma und die Angst vor Isolation führen also zum Verheimlic­hen der Krankheit?

Ja. Und natürlich die Tatsache, dass viele Menschen keine Versicheru­ng haben. Die können sich eine Behandlung schlicht nicht leisten.

Corona-Tests sind in Indonesien per se nicht umsonst. Ein Test kostet um die 100 Euro. Und auch erst, seitdem die Regierung das gedeckelt hat, davor war es noch mehr. Nur die Sozialkran­kenhäuser testen kostenlos, die sind aber heillos überfüllt.

Ja. Es gibt Videos von Patienten, die hinten auf Pick-upLadefläc­hen liegen, vor den Krankenhäu­sern. Die haben keine Chance reinzukom

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Diese Indonesier­in schützt ihr Baby mit einem Visier vor Ansteckung mit Coronavire­n.

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