Der HSV macht sich zum Außenseiter
Ob’s hilft? Trainer Walter sagt vorm Auftakt: „Schalke und Bremen sind die Favoriten“
Exakt 19 Monate musste er warten. 578 lange Tage, in denen Tim Walter seiner Rückkehr entgegenfieberte. Morgen feiert der Trainer sein Pflichtspiel-Comeback – und eine doppelte Premiere. Walters Zweitliga-Einstand beim HSV ist zugleich sein erster Ritt nach Schalke. Viel schwerer wird es in dieser Saison nicht mehr werden, da ist er sich sicher.
Die Begeisterung ist ihm anzumerken, seit seinem ersten Trainingstag im Volkspark. Walter lebt seinen Job, er lobt und flucht, pfeffert auch mal sein Cap vor Wut auf den Boden oder macht Faxen, wenn er an einer Kamera vorbeihuscht. Ein ungeduldiger Zeitgeist, in scheinbar jedem Moment. Wie sehr muss er nur das vermisst haben, was morgen wieder auf ihn wartet?
Ende Dezember 2019 wurde Walter beim VfB Stuttgart entlassen, einen Tag vor Heiligabend. Schöne Bescherung. Nun die Rückkehr auf die große Bühne. „Ich spüre totale Vorfreude“, sagt er. „Es ist mein erstes Pflichtspiel auf Schalke, dann auch gleich mit Zuschauern. Es ist ein tolles Gefühl wieder dabei zu sein und all die Emotionen zu spüren. Das Gefühl hat mir brutal gefehlt!“
Für den HSV ist es der Start in eine Saison, vor der ihn kaum jemand genau einzuschätzen weiß. Drei Jahre lang war er zuvor der Topfavorit. Und diesmal?
Walter scheint zu wissen, dass es nicht schaden kann, den Kelch, der in den Vorjahren stets im Volkspark abgestellt wurde, diesmal weiterzureichen. „Wenn man aufs Papier schaut, sind ganz klar Schalke und Bremen die Favoriten“, sagt er und macht seinen HSV damit ganz offiziell zum Außenseiter. Neues Spiel, neues Glück. Und neue Ansagen.
Alles andere hätte allerdings auch überrascht. In schöner Regelmäßigkeit ärgerten sie sich beim HSV in den Vorjahren darüber, von allen Konkurrenten zum Favoriten erklärt zu werden. Weil es alles noch schwerer machte. Warum also jetzt sein Glück nicht mal selbst auf diese Weise versuchen?
Das Wort Aufstieg dürfte kaum einem Hamburger so schnell über die Lippen kommen. Aus Walters Mund klingt das mit den Ambitionen so: „Wir haben Erwartungen an uns. Ziele, die wir erreichen und umsetzen wollen.“Er spricht gern von Intensität und Gier. Nicht
die schlechtesten Voraussetzungen für mehr.
Zumindest hat er keine Angst. Auch nicht vor Schalke. Die Frage, ob er sich diese Paarung nicht lieber zu einem späteren Saison-Zeitpunkt gewünscht hätte, beantwortet Walter zügig: „Was man heute oder morgen erledigen kann, sollte man auch tun.“
Es sind die Worte eines Mannes, der lange genug warten musste. Nach 578 Tagen hat Walter keine Zeit mehr zu verlieren. Oder wie er es nennt: „Immer Vollgas voran. Sofort!“