Merkel strickt an ihrer Legende
Die Kanzlerin ist mit ihrer Arbeit zufrieden – bis auf einen Punkt
Angela Merkel hat einen ihrer wohl letzten großen Auftritte absolviert. Dabei beklagte sie, dass in ihrer Kanzlerschaft beim Klimaschutz „nicht ausreichend viel passiert ist“. Das ist durchaus wahr! Allerdings erweckte sie dabei den Eindruck, als habe sie alles probiert, aber die Umstände hätten eben nicht mehr zugelassen. Das ist eine Legendenbildung, die so nicht stehen bleiben darf. Merkel hat die Richtlinien der Politik bestimmt, aber sie hat ihre Macht fast nie im Sinne des Klimaschutzes genutzt. Stattdessen hat sich die Kanzlerin in Brüssel konsequent für die Belange der Autobranche und anderer fossiler Industrien eingesetzt. Echter Klimaschutz hätte bedeutet, Unternehmen und Bürgern etwas zuzumuten und am Ende auch gewisse Wohlstandsverluste in Kauf zu nehmen. Das hat Merkel nie wirklich in Betracht gezogen. Es hätte sie ihre Wiederwahl kosten können. In der Flüchtlingspolitik hat Merkel 2015 viel riskiert. Ähnliches hat es in der Umweltpolitik nie gegeben. Aber nur schöne Worte ohne die notwendigen Taten machen eben noch keine große Klimakanzlerin. Diesen Teil ihres politischen Vermächtnisses werden Historiker einmal nicht sonderlich freundlich bewerten. Auch wenn Merkel selbst das anders sieht.
BERLIN – Ganze 29 Mal ist Angela Merkel während ihrer 16-jährigen Amtszeit vor der Bundespressekonferenz aufgetreten. Am Donnerstag ein letztes Mal. Dabei zog die Kanzlerin auf Drängen der Hauptstadt-Journalisten auch eine persönliche Bilanz. Vor allem in einem Bereich zeigte sie sich kritisch.
Kurz vor Ende ihrer Amtszeit hat die Kanzlerin Versäumnisse und Enttäuschungen in der Klimaschutz-Politik eingeräumt. Gemessen an dem Ziel, den weltweiten Klimaanstieg auf zwei Grad zu begrenzen, sei während ihrer Kanzlerschaft „nicht ausreichend viel passiert“, sagte die CDU-Politikerin. „Deshalb muss das Tempo angezogen werden.“Ihren persönlichen Einsatz für den Kampf gegen die Erderwärmung hält die Regierungschefin allerdings für ausreichend. „Ich bin der Meinung, dass ich sehr viel Kraft für den Klimaschutz aufgewandt habe.“Die Suche nach Kompromissen in dem Bereich habe „eigentlich meine gesamte politische Arbeit geprägt“. Auf die Frage eines Journalisten, was ihr größtes Versäumnis in der Klimapolitik gewesen sei, schwieg Merkel mehrere Sekunden. Dann sagt sie: „Der stärkere Ausbau der Windenergie.“
Als einen ihrer größten Erfolge bezeichnete die Politikerin den Abbau der Arbeitslosigkeit. „Als ich über
nommen habe, hatten wir fünf Millionen Arbeitslose, heute sind wir bei knapp drei“, sagte sie. Auch bei der Jugendarbeitslosigkeit stehe Deutschland im Vergleich „ziemlich gut da“.
Mit welchen ausländischen Politikern sie am liebsten zusammengearbeitet habe, wollte sie nicht beantworten: „Ich vergebe jetzt keine Schulnoten.“Dann verriet sie aber immerhin, was Frauen in der Politik aus ihrer Sicht oft anders machten als Männer: „Tendenziell gibt es bei Frauen eine gewisse Sehnsucht nach Effizienz.“Sollte im Klartext wohl heißen: Männer labern Merkel in der Politik oft zu viel rum, ohne auf den Punkt zu kommen.
Drauf angesprochen, ob ihre ostdeutsche Herkunft ein Problem gewesen sei und wie sie heute dazu stehe, antwortete Merkel: „Ohne Herkunft keine Zukunft. Ich habe immer versucht, in Ost und West mit der gleichen Stimme zu sprechen.“Ihr Nachfolger aus dem Westen müsste weiter auf die verletzten Gefühle im Osten achten, sagte sie. „Ich bin zuversichtlich, dass das passieren wird.“
Was sie selbst nach der Politik machen wird, ließ sie sich nicht entlocken: „Momentan fordert mich jede Woche noch. Die Aufgaben sind mit Corona oder der Flut noch da. Ich komme also noch gar nicht dazu, darüber nachzudenken.“Dafür verriet sie, wie sie den Wahlabend gestalten wird: „Ich werde in Verbindung mit der Partei sein, die mir nahesteht …“Sie hielt kurz inne und verbesserte sich: „... deren Mitglied ich bin“. Dann ging sie ab: „Danke, es war mir eine Freude.“
Frauen haben eine gewisse Sehnsucht nach Effizienz.
Angela Merkel über den Unterschied zwischen Männern und Frauen in der Politik