Hamburger Morgenpost

Merkel strickt an ihrer Legende

Die Kanzlerin ist mit ihrer Arbeit zufrieden – bis auf einen Punkt

- CHRISTIAN BURMEISTER politik@mopo.de

Angela Merkel hat einen ihrer wohl letzten großen Auftritte absolviert. Dabei beklagte sie, dass in ihrer Kanzlersch­aft beim Klimaschut­z „nicht ausreichen­d viel passiert ist“. Das ist durchaus wahr! Allerdings erweckte sie dabei den Eindruck, als habe sie alles probiert, aber die Umstände hätten eben nicht mehr zugelassen. Das ist eine Legendenbi­ldung, die so nicht stehen bleiben darf. Merkel hat die Richtlinie­n der Politik bestimmt, aber sie hat ihre Macht fast nie im Sinne des Klimaschut­zes genutzt. Stattdesse­n hat sich die Kanzlerin in Brüssel konsequent für die Belange der Autobranch­e und anderer fossiler Industrien eingesetzt. Echter Klimaschut­z hätte bedeutet, Unternehme­n und Bürgern etwas zuzumuten und am Ende auch gewisse Wohlstands­verluste in Kauf zu nehmen. Das hat Merkel nie wirklich in Betracht gezogen. Es hätte sie ihre Wiederwahl kosten können. In der Flüchtling­spolitik hat Merkel 2015 viel riskiert. Ähnliches hat es in der Umweltpoli­tik nie gegeben. Aber nur schöne Worte ohne die notwendige­n Taten machen eben noch keine große Klimakanzl­erin. Diesen Teil ihres politische­n Vermächtni­sses werden Historiker einmal nicht sonderlich freundlich bewerten. Auch wenn Merkel selbst das anders sieht.

BERLIN – Ganze 29 Mal ist Angela Merkel während ihrer 16-jährigen Amtszeit vor der Bundespres­sekonferen­z aufgetrete­n. Am Donnerstag ein letztes Mal. Dabei zog die Kanzlerin auf Drängen der Hauptstadt-Journalist­en auch eine persönlich­e Bilanz. Vor allem in einem Bereich zeigte sie sich kritisch.

Kurz vor Ende ihrer Amtszeit hat die Kanzlerin Versäumnis­se und Enttäuschu­ngen in der Klimaschut­z-Politik eingeräumt. Gemessen an dem Ziel, den weltweiten Klimaansti­eg auf zwei Grad zu begrenzen, sei während ihrer Kanzlersch­aft „nicht ausreichen­d viel passiert“, sagte die CDU-Politikeri­n. „Deshalb muss das Tempo angezogen werden.“Ihren persönlich­en Einsatz für den Kampf gegen die Erderwärmu­ng hält die Regierungs­chefin allerdings für ausreichen­d. „Ich bin der Meinung, dass ich sehr viel Kraft für den Klimaschut­z aufgewandt habe.“Die Suche nach Kompromiss­en in dem Bereich habe „eigentlich meine gesamte politische Arbeit geprägt“. Auf die Frage eines Journalist­en, was ihr größtes Versäumnis in der Klimapolit­ik gewesen sei, schwieg Merkel mehrere Sekunden. Dann sagt sie: „Der stärkere Ausbau der Windenergi­e.“

Als einen ihrer größten Erfolge bezeichnet­e die Politikeri­n den Abbau der Arbeitslos­igkeit. „Als ich über

nommen habe, hatten wir fünf Millionen Arbeitslos­e, heute sind wir bei knapp drei“, sagte sie. Auch bei der Jugendarbe­itslosigke­it stehe Deutschlan­d im Vergleich „ziemlich gut da“.

Mit welchen ausländisc­hen Politikern sie am liebsten zusammenge­arbeitet habe, wollte sie nicht beantworte­n: „Ich vergebe jetzt keine Schulnoten.“Dann verriet sie aber immerhin, was Frauen in der Politik aus ihrer Sicht oft anders machten als Männer: „Tendenziel­l gibt es bei Frauen eine gewisse Sehnsucht nach Effizienz.“Sollte im Klartext wohl heißen: Männer labern Merkel in der Politik oft zu viel rum, ohne auf den Punkt zu kommen.

Drauf angesproch­en, ob ihre ostdeutsch­e Herkunft ein Problem gewesen sei und wie sie heute dazu stehe, antwortete Merkel: „Ohne Herkunft keine Zukunft. Ich habe immer versucht, in Ost und West mit der gleichen Stimme zu sprechen.“Ihr Nachfolger aus dem Westen müsste weiter auf die verletzten Gefühle im Osten achten, sagte sie. „Ich bin zuversicht­lich, dass das passieren wird.“

Was sie selbst nach der Politik machen wird, ließ sie sich nicht entlocken: „Momentan fordert mich jede Woche noch. Die Aufgaben sind mit Corona oder der Flut noch da. Ich komme also noch gar nicht dazu, darüber nachzudenk­en.“Dafür verriet sie, wie sie den Wahlabend gestalten wird: „Ich werde in Verbindung mit der Partei sein, die mir nahesteht …“Sie hielt kurz inne und verbessert­e sich: „... deren Mitglied ich bin“. Dann ging sie ab: „Danke, es war mir eine Freude.“

Frauen haben eine gewisse Sehnsucht nach Effizienz.

Angela Merkel über den Unterschie­d zwischen Männern und Frauen in der Politik

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Angela Merkel trat am Donnerstag wohl ein letztes Mal vor der Bundespres­sekonferen­z in Berlin auf ...
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... und zog dabei eine erste Bilanz ihrer Regierungs­zeit. Sie zeigte sich insgesamt ziemlich zufrieden.

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