Viele Kinder zu Hause nicht sicher
Zahl der Misshandlungen seit Beginn der Corona-Pandemie deutlich gestiegen
Misshandlungen und Vernachlässigungen von Kindern sind im Jahr 2020 in Hamburg erheblich gestiegen. Das geht aus Zahlen des Statistikamts Nord hervor. Mit anderen Worten: In immer mehr Fällen ist das Kindeswohl gefährdet – gerade zu Hause sind sie nicht mehr sicher. Ist Corona daran schuld?
Insgesamt sind im vergangenen Jahr 2659 Verfahren eingeleitet worden, das sind 600 mehr als noch im Jahr 2019. Besonders stark stiegen dabei die Verdachtsfälle, bei denen zwar keine Kindeswohlgefährdung vorlag, aber Hilfebedarf besteht: von 634 auf 966 Fälle. Bei den meisten Verfahren handelt es sich um Kinder unter einem Jahr sowie Jugendliche zwischen 14 und 15 Jahren. Zunächst hatte der NDR berichtet.
Aber auch die Anzahl der tatsächlich festgestellten Kindeswohlgefährdungen hat zugenommen – wenn auch nicht so stark wie die Verdachtsfälle. Beunruhigend ist hier besonders die Zunahme der sexuellen Gewalt: 58 Kinder und Jugendliche mussten im Jahr 2020 vor sexuellem Missbrauch in Sicherheit gebracht werden – ein Jahr zuvor waren es 24 gewesen. Die meisten Opfer davon sind zwischen zwölf und 15 Jahre alt. Bei 18 Minderjährigen bestand zudem Verdacht auf sexuellen Missbrauch im Gegensatz zu 13 im Jahr 2019.
Eine Kindeswohlgefährdung liegt per Gesetz dann vor, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes gravierende Schäden erleidet.
Besonders während der Corona-Krise sind viele Familien mit Kindern auf sich alleine gestellt und die gewohnte Alltagsstruktur bricht weg – sowohl durch Isolation als auch durch die Schließung von Kitas und Schulen. Expert:innen vermuteten schon zu Beginn der Pandemie einen deutlichen Anstieg der häuslichen Gewalt während des Lockdowns gegen Frauen und vor allem gegen Kinder. Außerdem kommt hinzu: Die Dunkelziffer könnte aufgrund der langen Schul- und Kita-Schließungen noch einmal deutlich höher sein – denn Kinder und Jugendliche hatten so weniger Möglichkeiten, Dritte um Hilfe zu bitten. In der Vergangenheit waren viele der Verdachtsfälle aus diesen Umfeldern gekommen. Bereits im Februar hatte das UKE eine Studie veröffentlicht, nach der im März 2020 bis zu 20 Prozent weniger Kinder und Jugendliche in die insgesamt 159 befragten Kinderschutzgruppen und -ambulanzen gekommen waren als noch ein Jahr zuvor.
Die Organisation „Save the Children“rät Außenstehenden unter anderem dazu, Gewaltsituationen zu unterbrechen und gegebenenfalls mit einem Vorwand an der Tür zu klingeln. Wichtig: sich nicht selbst in Gefahr bringen! Im Zweifelsfall ist es besser, direkt die Polizei zu alarmieren. Je nach Alter kann das Kind bei passender Gelegenheit auch alleine angesprochen und Hilfe angeboten werden. Insgesamt gilt es, die Augen und Ohren nicht zu verschließen und aufmerksam zu sein.
2659 Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls sind 2020 in Hamburg eingeleitet worden