Hamburger Morgenpost

Ran an den Speck

Wann wird aus Übergewich­t eine ernsthafte Bedrohung für die Gesundheit?

- DAS INTERVIEW FÜHRTE STEFAN FUHR stefan.fuhr@mopo.de

Corona muss zurzeit für vieles herhalten. Auch für die Extra-Kilos, die wir uns während des Lockdowns auf die Hüften gepackt haben. Aber: Schon vor Corona haben Experten Alarm geschlagen. Wir werden alle zu dick! Die Weltgesund­heitsorgan­isation rechnet sogar damit, dass in acht Jahren bereits jeder vierte Mann und jede fünfte Frau stark übergewich­tig sein werden. Was das für Auswirkung­en auf unsere Gesundheit hat, ordnet Dr. Johannes Sander ein. Er ist der Chefarzt der Adipositas-Klinik an der Schön Klinik in Eilbek.

MOPO: Ich habe heute extra ein weites Hemd angezogen ...

Dr. Johannes Sander: Den Trick kenne ich. Ab einem gewissen Alter haben viele ein kleines Problem mit dem Gewicht. Das sollte man aber noch nicht überbewert­en.

Ab wann wird aus den paar Kilos zu viel Übergewich­t?

Eine schwierige Frage, die man früher ganz anders beantworte­t hat. Eine stattliche Figur galt damals als Zeichen des Erfolges: Schaut her, ich kann mir gutes Essen leisten – ich habe es geschafft. Heute ist das Schönheits­ideal ein anderes. Wir möchten schlank sein und so aussehen wie bei „Germany’s Next Topmodel“oder wie der Athlet bei den Olympische­n Spielen. Das ist den meisten leider nicht vergönnt. Leichtes Übergewich­t wird oft als kosmetisch­es Problem wahrgenomm­en. Es gibt aber zunehmend Menschen, die auch medizinisc­h unter ihrem Gewicht leiden. Anhand von verschiede­nen Parametern können wir definieren, ob ein Mensch übergewich­tig ist oder nicht. Da gibt es den bekannten Body-Mass-Index (BMI) als Maßeinheit. Dieser setzt das Gewicht ins Verhältnis zur Körpergröß­e. Denn nicht jeder, der 90 Kilogramm wiegt, ist automatisc­h übergewich­tig. Dies mag bei einer Frau, die 1,61 Meter groß ist, der Fall sein, aber ein Mann mit einer Größe von 1,90 Meter hätte damit sein Normalgewi­cht.

Der BMI ist so eine Formel?

Ja, man rechnet Körpergewi­cht geteilt durch Körpergröß­e zum Quadrat. Relativ willkürlic­h wurde das Normalgewi­cht mit einem Wert zwischen 18,5 und 25 definiert. Darüber hinaus wird in verschiede­nen Abstufunge­n definiert, ob jemand übergewich­tig ist oder sogar schon unter krankhafte­m Übergewich­t – der Adipositas – leidet.

Wie verlaufen die Abstufunge­n?

Übergewich­t besteht bei einem Body-Mass-Index zwischen 25 und 30. Eine echte Adipositas, also ein Zustand, der oft auch aus medizinisc­her Sicht einen Krankheits­wert beinhaltet, beginnt bei einem BMI ab 30. Wir unterschei­den verschiede­ne Schwere-Grade der Erkrankung. Die Adipositas Grad 1 ist der BMI von 30 bis 35. Grad 2 umfasst den BMI von 35 bis 40 und ab einem BMI von 40 sprechen wir von einer schwergrad­igen Adipositas oder einer Adipositas Grad 3.

Ist der BMI allein ausschlagg­ebend? Die WHO sagt, dass Menschen mit einem BMI von 27 am längsten leben. Dann ist man streng genommen schon übergewich­tig.

Wie immer in der Medizin betrachten wir den Menschen als Ganzes – auch im Hinblick auf vielleicht schon bestehende Folgeerkra­nkungen. Ein Beispiel: Ein muskelbepa­ckter junger Mann hat zum Beispiel einen BMI 28. Niemand würde auf die Idee kommen, diesen jungen Mann als übergewich­tig zu bezeichnen. Er selbst leidet auch nicht unter seinem Gewicht. Andersheru­m gibt es Menschen, die beispielsw­eise unter einer chronische­n Darmerkran­kung leiden, die oft mit einem niedrigen Gewicht einhergeht. Diese Menschen haben zwar einen normalen BMI, können aber aufgrund verschiede­ner Mangelersc­heinungen schwer krank sein. Das heißt, der BMI per se ist kein alleiniges Merkmal.

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Plauze raus! Dieser junge Mann hat eindeutig eine Menge Kilos zu viel.

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