Wir müssen lernen, was unser Essen im Körper auslöst.
Der wichtigste Punkt ist sicher, dass wir seit Jahrzehnten Zugang zu Nahrungsmitteln im Überfluss haben. Industriell hergestellte Nahrungsmittel wurden immer fett- und zuckerhaltiger. Zudem bewegen wir uns im Job und in der Freizeit nicht mehr so viel wie früher. Zusammen mit der genetischen Veranlagung führt dieses dazu, dass wir über die Jahre die ersten Kilos zu viel bekommen – viele haben genau das in den vergangenen 18 Monaten der Corona-Pandemie erlebt. Es gibt auch Krankheiten, beispielsweise der Schilddrüse, die eine Gewichtszunahme als Begleiterscheinung haben, oder Medikamente wie Antidepressiva können ein starkes Hungergefühl und damit als Folge auch Übergewicht auslösen.
Stichwort Lebensmittel. Sollten wir besser zu zucker- und fettreduzierten Produkten greifen?
Das Problem der fettfreien Lebensmittel ist oft, dass ein Geschmack, der uns zufriedenstellt, nur durch die Beifügung von Zucker oder anderen Zusatzstoffen erreicht werden kann. Aus ernährungsphysiologischer Sicht sind die fettoder zuckerfreien Lebensmittel oft ungesünder als die natürlichen mit einem vernünftigen Mix aus Fett, Eiweiß und Zucker. Die ausgewogene Kombination ist es, die uns satt werden lässt!
Das ist ein ganz, ganz wichtiger Aspekt auch in der konservativen Therapie der Adipositas. Uns allen muss wieder ein Verständnis für eine gesunde Ernährung vermittelt werden. Viele haben nie gelernt zu kochen. Nur wenige wissen, wie die einzelnen Bestandteile der Lebensmittel auf unseren Stoffwechsel wirken. Zuckerhaltige Nahrungsmittel führen zwar schnell zu einer Sättigung und
Zufriedenheit, aber durch die Reaktion des Blutzuckerspiegels auch schnell wieder zu Heißhunger. Das weiß auch die Industrie. Viele der Fertig-Lebensmittel haben tatsächlich den Effekt, dass sie uns langfristig eher in Richtung Überkonsum treiben. Wer sein Gewicht langfristig stabilisieren möchte, sollte seine Mahlzeiten so oft wie möglich selbst zubereiten. Greifen Sie lieber zum Vollkornbrot als zum Weißbrot oder lieber zum Wasser als zum Softdrink. Eine Mischkost mit viel Gemüse, die natürlich auch etwas Fleisch und Kohlenhydrate beinhalten darf, ist optimal. Dann kombinieren Sie das Ganze noch mit ausreichend guter körperlicher Aktivität, um den Stoffwechsel auf Trab zu bringen. Sie werden merken, der weitere Anstieg des Gewichts hat kaum mehr eine Chance.
So einfach ist es leider nicht. Ein Problem, das sich über Jahre aufgebaut hat, kann nicht in wenigen Wochen oder Monaten gelöst werden. Denn hier greift ein genetischer Mechanismus, der in uns allen steckt und vor einer zu starken Gewichtsreduktion schützt. Der Stoffwechsel reagiert nämlich auf einen Gewichtsverlust, indem er alle ihm zur Verfügung stehenden Mechanismen in Gang setzt, das verlorene Gewicht wiederzubekommen – zum Beispiel der Heißhunger auf Fettiges oder Süßes wenige Tage nach Beginn einer Diät. Jeder hat schon vom Jo-Jo-Effekt gehört. Für unsere Patienten standen die ersten Diäten oft am Anfang des immer schneller steigenden Gewichts. Gute Ernährung sorgt auch für Wohlbefinden?
Ja, eine gute Ernährung hat einen positiven Einfluss auf uns. Ich lade jeden ein, dieses im
Selbstversuch zu testen: Ernähren Sie sich gesund, bewegen Sie sich ausreichend. Sie werden rasch merken, dass es Ihnen auch psychisch besser geht.
Adipöse Menschen leiden sehr häufig psychisch an ihrer Erkrankung – schließlich kann jeder sie sehen. Früh kommt es zu einer Überbelastung der Hüft- und Kniegelenke oder zu Rückenschmerzen, im Alltag oft zu Luftnot bei leichter Belastung. Die langfristig ernsten Erkrankungen sind aber die Stoffwechsel-Erkrankungen wie Diabetes Typ 2, Bluthochdruck und erhöhte Blutfettwerte – wir sprechen bei dieser Kombination vom metabolischen Syndrom. Diese Erkrankungen wiederum können schwerwiegende Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall auslösen. Man weiß auch aus vielen Statistiken, dass Menschen mit starkem Übergewicht aufgrund dieser Erkrankungen früher sterben als normalgewichtige Menschen.
Zunächst einmal: Wer seinem Übergewicht oder bei wem das Übergewicht Folgeerkrankungen ausgelöst hat, sollte sich immer sionelle Hilfe holen. erwähnt führen kurzfristige Reduktionsdiäten oft zu Jo-Jo-Effekt. Sprechen Ihrem Hausarzt. Ernährungsberaterinnen helfen bei forderlichen langfristigen Umstellung. Bewegen sich mehr – das hat jeder selbst in der Hand. Wir sind eine Abteilung für Adipositas-Chirurgie.
Die Therapie in unserer Klinik richtet sich an Patienten, die schon eine weit fortgeschrittene Adipositas haben, also einen BMI von 40, 50 oder sogar über 60. Diese Menschen sind aus der Phase von „Ich hab ein bisschen Übergewicht“lange raus und die oben genannten Konzepte helfen nicht mehr. Im Gespräch versuchen wir herauszufinden, was die Ursachen sind. Was wurde schon alles unternommen? Bei vielen Patienten starten wir mit einer professionell begleiteten konservativen Therapie. Das heißt, wir versuchen zusammen mit unseren Ernährungsund Sporttherapeuten einen Weg zu finden, das Gewicht aus eigener Kraft zu reduzieren. Allerdings ist es so, dass ab einem BMI von 35 oder 40 die Chancen auf Erfolg gering sind, weil die Erkrankung Adipositas einfach weit fortgeschritten ist. Für diese Menschen ist eine Operation oft die einzige Chance auf einen langfristigen und nachhaltigen Gewichtsverlust.
Es gibt mehrere Methoden: Zum einen können wir den Magen verkleinern, die sogenannte SchlauchmagenOperation. Eine weitere Möglichkeit ist der Magenbypass. Hier wird die Magenverkleinerung mit einer Umleitung des Dünndarms kombiniert, sodass Nahrungsmittel nicht mehr vollständig verdaut werden und die Kalorienaufnahme somit reduziert wird. Diese Methode ist sehr effektiv und führt neben dem hervorragenden Gewichtsverlust oft zu einer deutlichen Besserung der Folgeerkrankungen wie Diabetes Typ 2, Bluthochdruck, Schlafapnoe oder der Gelenkbeschwerden. Aber ein noch viel interessanterer Aspekt ist, dass die Operation eine hormonelle Umstellung im Körper hervorruft. Die Berichte unserer Patienten sind faszinierend: Viele haben zum ersten Mal seit Jahren das Gefühl, nach einer kleinen Portion wirklich satt und zufrieden zu sein. Sie können ihre Freizeit wieder aktiv gestalten, finden zurück ins Berufsleben oder können einfach wieder mit ihren Kindern spielen. Ihr Leben ist im wahrsten Sinne des Wortes leichter geworden.
Niemand würde einem muskelbepackten Mann trotz hohem BMI Übergewicht unterstellen. Dr. Johannes Sander
Dr. Johannes Sander