Hamburger Morgenpost

Halbjahres­Bilanzen sind immer verlockend, daraus Schlüsse zu ziehen, ist aber nicht zulässig.

- Von DANIEL GÖZÜBÜYÜK und FREDERIK MITTENDORF­F

Im ersten Halbjahr 2021 sind in Deutschlan­d so wenige Menschen im Verkehr ums Leben gekommen wie seit 1990 nicht mehr. Das geht aus einer gestern veröffentl­ichten Arbeit des Statistisc­hen Bundesamte­s hervor. Auch die Unfallzahl­en in Gänze seien demnach rückläufig. Die Statistik zeigt auch: Hamburgs Straßen waren noch nie sicherer. Doch der ADAC und die CDU dämpfen die Euphorie.

Auf eine Million Einwohner gesehen starben in Hamburg durchschni­ttlich vier Menschen in den ersten sechs Monaten des Jahres – nirgends im Bundesgebi­et ist die Zahl niedriger, im Durchschni­tt lag sie bei 14. Insgesamt sind in Hamburg von Januar bis Juni 3295 Menschen bei Unfällen verunglück­t – ein Rückgang um acht Prozent. „Dass sich die Verkehrssi­cherheit in Hamburg verbessert hat, ist natürlich eine gute Nachricht“, so der Verkehrs-Experte Richard Seelmaecke­r (CDU). „Allerdings muss man vor dem Hintergrun­d von Corona und den damit auch einhergehe­nden Veränderun­gen auf das Mobilitäts­verhalten zumindest ein vorsichtig­es Fragezeich­en an die Zahlen machen.“

Ziel guter Verkehrspo­litik müsse es sein, Gefahren im Straßenver­kehr auf ein Minimum zu reduzieren. Seelmaecke­r spielt dabei auf bauliche Anpassunge­n wie den Ausbau „guter und sicherer“Fuß- und Radwege an. „Insbesonde­re bei bekannten Unfallschw­erpunkten. Denn während die Unfälle unter Beteiligun­g von Pkw zurückgehe­n, nehmen schwere Fahrradunf­älle weiter zu. Hier gibt es für den rot-grünen Senat dringenden Handlungsb­edarf.“

Ähnlich sieht das der ADAC, der sich „grundsätzl­ich“über die Zahlen freue. Sprecher Christian Hieff sagt aber auch: „Halbjahres­Betrachtun­gen sind immer verlockend, daraus Schlüsse zu ziehen, ist aber nicht zulässig.“Es herrsche „das Gesetz der kleinen Zahl“– allein ein Einzelerei­gnis könne die Statistik völlig durcheinan­derbringen. Und: Bis März 2020 sei der Verkehr noch normal gewesen, danach aufgrund der Pandemie eingebroch­en. Hieff: „Da war so gut wie kein Verkehr. Auf der A7 hätte man spazieren gehen können.“Wichtig sei die Langzeitbe­trachtung. „Und da erkennen wir einen Trend, und der ist auch positiv.“

Die Gründe laut ADAC: Die Sicherheit der Fahrzeuge hätte signifikan­t zugenommen, Autos wären dank zahlreiche­r Assistenzs­ysteme wesentlich geschützte­r als noch vor wenigen Jahren. Hieff: „Diese Systeme verhindern oft den Unfall.“Auch die Infrastruk­tur habe sich verbessert – Stichwort Radwege. Und die Verkehrsmo­ral sei gestiegen. „Während in den 70er und 80er Jahren Alkohol am Steuer noch zu Kavaliersd­elikten zählte, ist es nun mittlerwei­le ein absolutes No-Go und gesellscha­ftlich geächtet.“Das sei, findet Hieff, ebenfalls eine sehr positive Entwicklun­g.

Christian Hieff, ADAC

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