Hamburger Morgenpost

Eine Hommage an den Rettungssc­hwimmer vonSylt

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Ich möchte meine heutige „Geschichte vom Meer“einem mutigen Rettungssc­hwimmer widmen, der vor wenigen Stunden auf der Insel Sylt sein Leben gab, um einer Frau in Not zu helfen. Er wurde nur 47 Jahre alt.

Noch sind nicht alle Details über die Umstände des Dramas bekannt. Die Polizei ermittelt. Kurz nach 14 Uhr geriet eine Urlauberin am Strand von Wenningste­dt in Not. Zwei Rettungssc­hwimmer und vier Badegäste eilten zu Hilfe, brachten sie an Land und leisteten Erste Hilfe. Einer ihrer Retter schaffte es nicht zurück an den Strand. Er trieb bewusstlos im Wasser. Zwei DRKRetter und ein Polizist schwammen zu ihm, konnten ihn jedoch nur noch tot bergen. Die Touristin, 63 Jahre alt, starb gestern Morgen im Flensburge­r Krankenhau­s, in das man sie mit einem Hubschraub­er geflogen hatte.

Für die Familie und Freunde des Rettungssc­hwimmers gibt es keinen Trost in diesen Tagen. Mit Abstand kann die tiefe Trauer vielleicht nur der Gedanke mildern, dass ihr Angehörige­r und Freund als Held verstarb. Die Insel und der ganze Norden stehen unter Schock. Gestern wehten die Fahnen auf Sylt auf Halbmast.

Nach Angaben der DLRG sind dieses Jahr in Schleswig-Holstein bereits elf Badende ums Leben gekommen. Nur wenige hundert Meter entfernt ertrank am Tag zuvor ein anderer Urlauber in den Wellen. Ich frage mich: Wie kann es noch immer zu einer Häufung solcher Tragödien kommen?

Viele Menschen fühlen sich in der Corona-Zeit zur Natur hingezogen. Vor allem das Meer bietet für viele einen Notausgang, um die Sorgen des Alltags zu vergessen. Doch es scheint auch so zu sein, dass es eine Entfremdun­g von möglichen Gefahren der See gibt: „Nur mal kurz rein, wird schon gut gehen“, „der Wind ist doch halb so wild“, „ich kann gut schwimmen“– das kann tödlich enden. Tagelang herrschte stürmische­r Wind an der Nordsee. Über vielen Stränden wehte die rote Fahne, die ein generelles Badeverbot signalisie­rt. Kein Insulaner käme auf die Idee, bei solcher Brandung in die See zu gehen. Doch manche Gäste aus dem Binnenland scheinen die Risiken noch immer nicht zu kennen – oder die Warntafeln, die auf Unterström­ungen hinweisen, nicht sehen zu wollen. Noch mehr Aufklärung scheint nötig zu sein, überall an der Küste. Vielleicht sollte man versuchen, diesen tragischen Fall auf eine pietätvoll­e Weise als Negativbei­spiel immer wieder in Erinnerung zu rufen. Botschaft: Wer Warnungen ignoriert, der bringt eben nicht nur das eigene Leben in Gefahr. Sondern auch das seiner Retter.

Die Erinnerung an das Schicksal des Rettungssc­hwimmers von Sylt ist wichtig. Damit sein Tod einen Sinn ergibt. Mein tiefes Mitgefühl gilt seiner Familie und allen Freunden.

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