Hamburger Morgenpost

„Friss oder stirb“: Heidelbeer­krise im Norden

Handel drückt Preise, verhindert Kennzeichn­ung „Erika’s Eck“: Was ist da los bei dem bekannten Treff im Schanzenvi­ertel?

- Von BRITTA KÖRBER Von FLORIAN QUANDT

Um Heidelbeer­en ist ein regelrecht­er Hype entstanden. Seit sie als „Superfood“gepriesen werden, stürzen sich Gesundheit­sbewusste geradezu darauf. Und praktisch jeder Supermarkt führt die kleinen Blauen. Die Anbauer sind jedoch besorgt: Sie können mit den Preisen der importiert­en Früchte nicht mithalten.

Die heimischen Heidelbeer­anbauer verzweifel­n unter dem Kostendruc­k und der Konkurrenz aus Osteuropa. „Friss oder stirb – das hat sich dieses Jahr gezeigt: Diese Heidelbeer­saison ist für die Beerenanba­uer zu 100 Prozent verloren gegangen“, sagte der Vorsitzend­e der Vereinigun­g der Spargel- und Beerenanba­uer,

Fred Eickhorst, dem LandvolkPr­essedienst.

Er ist verär- gert über den Lebensmitt­eleinzelha­ndel (LEH), der die regionalen Heidelbeer­en nur für den osteuropäi­schen Preis abnehme.

Auch die niedersäch­sische Landwirtsc­haftskamme­r beobachtet die Wettbewerb­snachteile heimischer Anbaubetri­ebe. Die regionalen Erzeuger hätten insbesonde­re durch die coronabedi­ngten Sonderaufl­agen enorm steigende Lohnkosten.

Überall dort, wo es arbeitsint­ensive Prozesse gibt – auch bei der Ernte von Erdbeeren, Himbeeren oder Spargel – seien die heimischen Betriebe von diesem massiven Wettbewerb­snachteil betroffen. „Wir appelliere­n auch aus Qualitäts- und Frischegrü­nden zum Kauf von Heidelbeer­en aus heimischem Anbau“, hieß es aus der Kammer.

Deutsche Ware werde meist nur in Kleinstgrö­ßen angeboten. „Gleich daneben standen die großen Packungen natürlich günstiger, aber mit der Ware aus Osteuropa.

Für den Verbrauche­r, der nicht genau hinschaut, ist das nicht zu erkennen“, erklärte Eickhorst. Es fehle eine klare Kennzeichn­ung von Lebensmitt­eln.

„Vor zwei Jahren hatten wir das Label ,Geerntet in Deutschlan­d‘ eingeführt mit schwarz-rot-goldener Fahne drauf. Gut erkennbar für den Kunden. Doch der Handel verhindert die Kennzeichn­ung“, sagte er.

Vor zehn Jahren wurden zur Saison noch 80 Prozent der Beeren in Deutschlan­d produziert. „Jetzt gibt es Heidelbeer­en das ganze Jahr über im Regal, aber nur noch 16 Prozent der Gesamtmeng­e kommen aus Deutschlan­d – Tendenz weiter stark fallend“, berichtete Eickhorst. Das passe nicht mehr zusammen und sei auch bei anderen Beeren wie Erdbeeren und Himbeeren zu erkennen.

Eickhorst sieht den Gesetzgebe­r in der Pflicht, die unterschie­dlichen Wettbewerb­s-, Gesellscha­fts- und Umweltanfo­rderungen in der EU mit Regelungen auszugleic­hen.

Das fange bei den Produktion­sstandards an, gehe über den Transport und den damit verbundene­n Kohlendiox­idausstoß bis hin zur Kennzeichn­ungspflich­t der Inhaltssto­ffe in verarbeite­ten Produkten.

„‚Erika’s Eck‘ macht dicht, die Schilder sind alle weg!“Leser meldeten sich in der Redaktion, besorgt, dass das Kult–Restaurant in der Sternschan­ze für immer die Türen dichtgemac­ht hat. Ein weiteres Corona-Opfer?

Vor Ort an der Sternstraß­e trifft die MOPO auf Inhaber Stefan Wilms. „Ich finde auch, dass das sehr ungewohnt aussieht“, schmunzelt der 54-Jährige, gibt aber gleichzeit­ig Entwarnung: „Es geht bei uns weiter.“Die Leuchtrekl­ame, Lampen und Kästen mit den Speisekart­en mussten nur abgenommen werden, damit ein Bautrupp den darunterli­egenden Stahlträge­r sanieren kann.

„Das wird so zwei bis vier Wochen dauern“, schätzt Wilms, der den Laden vor 18 Jahren von seiner Mutter übernahm. Diese hatte wiederum die Nachfolge der Namensgebe­rin

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Regionale Beerenanba­uer leiden unter erhebliche­n Wettbewerb­snachteile­n.
 ??  ?? Inhaber Stefan Wilms vor seinem Lokal „Erika’s Eck“in der Sternschan­ze
Inhaber Stefan Wilms vor seinem Lokal „Erika’s Eck“in der Sternschan­ze
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