Ich liebe das Haus, hab’ viel Herzblut reingesteckt und vermisse die Zeit gepflegter Tanzcafés.
Ein fester Metallzaun versperrt seit den 90er Jahren den Zugang zum Grundstück Bramfelder Straße 42. Ein Ort mit spannender Geschichte. Vor 100 Jahren befand sich hier ein beliebtes Ballhaus, aus dem dann 1925 „Sanders Lichtspiele“wurden. Später hieß es „Lichtspiele am Zoll“, und das Kino ging im Bombenhagel 1943 unter. 1958 wurde in einem Neubau das „Radiant Barmbek“feierlich eröffnet. Doch
1963 war chluss it Filmen
dem Kino entstand der „Tanzpalast Fürstenhof“.
Und nun kommt bereits Rolf Mahnke ins Spiel. 1966 leistete der gelernte Schlosser seinen Wehrdienst bei der Bundeswehr, und der 19-Jährige war ein guter Tänzer. „Ich war aber nicht so der Disko-Typ, mochte lieber gepflegte Tanzlokale wie das ,Boccaccio‘ am Hauptbahnhof oder eben den ,Fürstenhof‘“, erzählt Mahnke. Und genau dort, mitten in Barmbek, lernte der junge Mann seine erste große Liebe kennen. Und die vergisst man bekanntlich nie. Und Rolf Mahnke vergaß auch nie mehr den Ort, an dem er sich verliebte.
Rolf Mahnke war fleißig. Tagsüber schaffte er als Schlosser, am Wochenende oder nachts arbeitete er als Kellner. Sogar im berühmten „Café Keese“auf der Reeperbahn bediente Mahnke das Publikum. Das weckte sein Interesse an der Gastronomie. Nach einem schweren Arbeitsunfall, der Schlosser brach sich beide Fersen, konnte er nicht mehr als Handwerker arbeiten. Rolf Mahnke eröffnete das „Flotow-Stübchen“an der Barmbeker Flotowstraße. Es folgten diverse Spielhallen, und der Gastronom kam zu Geld.
Aus seinem geliebten „Fürstenhof“war in den 90er Jahren die Disco „Palladium“geworden. Statt zugelassenen 1800 feierten hier jeden Sonnabend bis zu 4000 Menschen ab. Und viele davon waren dankbare Abnehmer von Drogen. Es kam zu Messerstechereien und es wurde auch scharf geschossen. 1996 musste die GroßDisko schließen.
1998 kaufte Rolf Mahnke die Immobilie, seitdem steckte er über die Jahre viele Millionen in das marode
Gebäude. „Wir haben das Dach gemacht, die ganze Elektrik. Das Lager abgerissen, Notausgänge geschaffen, Toiletten eingebaut“, zählt Mahnke auf. Und weiter: „Ich hab’ den Aufwand hier doch deutlich unterschätzt.“Die Immobilie wurde zum Fass ohne Boden.
Wir treffen uns mit ihm vor dem „Lost Place“und betreten zunächst eine plüschige Bar im Foyer. Eine Gipsbüste Julius Cäsars und lustige Engel an den Wänden sind hier die schräge Deko. Die Figuren sind ebenso wie die dicken Vorhänge mit einer grauen Staubschicht bedeckt. Wir betreten den ehemaligen Kinosaal, der als Tanzfläche gedient hat. Auf einem Tresen liegt eine MOPO vom 9. Januar 2003 – offenbar von Handwerkern zurückgelassen. An der Bar wird auf einer Tafel der „Saure“noch für drei Mark angeboten.
Rolf Mahnke führt uns in den Vorführraum des Kinos. Dort steht ein prächtiger alter Projektor von Zeiss. Daneben die verstaubten Filmrollen von „Eis am Stil“oder „Rambo 2“. Für Cineasten ist dieser Ort sicher das Paradies – eine Zeitkapsel, seit mehr als 20 Jahren fast unberührt.
Doch zurück in die Gegenwart. Was soll nun werden aus Barmbeks bekanntestem „Lost Place“? Rolf Mahnke wird wehmütig, sagt: „Ich liebe dieses Haus, habe so viel Herzblut reingesteckt, und ich vermisse die Zeit gepflegter Tanzcafes“. Mahnke möchte verkaufen. Der Immobilienbesitzer hat beim Bezirksamt Nord Anträge gestellt auf einen Umbau mit Schaffung von Wohnungen auf 1500 Quadratmetern und Erhalt des Kinosaals. Dort wünscht sich Mahnke wieder Gastronomie und ein Fitnesscenter.
Das Bezirksamt wolle nur 900 Quadratmeter Wohnfläche genehmigen, so Mahnke. Er hat einen Anwalt eingeschaltet und Widerspruch eingelegt.
Doch selbst wenn er sich durchsetzt, muss Mahnke erst mal einen Käufer finden. Und wenn es nach ihm geht, soll das ein Investor sein, der seine Liebe zu der Location teilt und nicht nur alles plattmachen will. Dann würde er auch erhebliche Abstriche beim Kaufpreis machen, verspricht der 74-Jährige.
Rolf Mahnke