Hamburger Morgenpost

Killers und der Wilde Westen

INTERVIEW Brandon Flowers übers Kleinstadt-Leben und das neue Album „Pressure Machine“

- Das Interview führte KATJA SCHWEMMERS Es ist das ruhigste Killers-Album. Was für Emotionen verarbeite­n Sie in den neuen Songs? Zum Beispiel? Wie war Ihr Lebensgefü­hl in Ihren Teenagerja­hren? Die Stadt steht für Cowboys, Rodeos und die Jagd. Irgendwelc­he E

Mit ihrem siebten Studioalbu­m „Pressure Machine“sorgen The Killers für Überraschu­ngen: Themen wie Tod, Drogen und Religion und ein ruhigerer Sound sind die Zutaten. Sänger Brandon Flowers (40) hat sich seine Erfahrunge­n als Teenager in der US-amerikanis­chen Kleinstadt Nephi (Utah) von der Seele geschriebe­n. Im Interview spricht er darüber, wie ihn der 5400-Seelen-Ort prägte, warum er nie wieder ein Gewehr in die Hand nimmt – und auch über Bruce Springstee­n und Phoebe Bridgers.

MOPOP: Auf dem neuen Killers-Album besinnen Sie sich auf Ihre Zeit in der Kleinstadt Nephi in Utah zurück, in der Sie zwischen Ihrem zehnten und 16. Lebensjahr mit Ihren Eltern lebten. Warum gerade jetzt?

Brandon Flowers: Ich bin vor vier Jahren von Las Vegas zurück nach Utah gezogen. Wenn ich aus dem Fenster sehe, blicke ich auf dieselben Berge wie schon als Teenager. Viele Erinnerung­en waren plötzlich wieder da. Ich konnte dem gar nicht entkommen.

Ja, es ist sehr anders. Diese geerdete Musik war zwar immer ein Einfluss auf die Killers, aber wir waren nie willens, das näher zu verfolgen. Wir wurden süchtig danach, die Arenen zu füllen – das ist so befriedige­nd. Durch Corona hatten wir plötzlich jede Menge Zeit zur Verfügung. Unser vorheriges Album „Imploding The Mirage“war gerade fertig und alle unsere Ambitionen hinsichtli­ch eines üppigen Sounds befriedigt.

Da haben wir uns diese Platte einfach mal gegönnt.

Viel Traurigkei­t. Ich hab eine schöne Kinderstub­e genossen, aber die Dinge, die mir am stärksten in Erinnerung geblieben sind, standen in Verbindung mit traurigen oder traumatisc­hen Begebenhei­ten. Ich war erstaunt, dass ich immer noch so emotional war im Hinblick auf Geschichte­n, die vor 25 Jahren passiert sind. Als ich in der achten Klasse war, wurden zwei Schüler von der Bahn erfasst und starben. Ich kannte sie nicht gut, bin ihnen nur ein paar Mal begegnet. Der Junge hieß Raymond und das Mädchen Tiffany. Raymond war immer nett zu mir. Die Leute schauten zu ihm auf in der Highschool. Dieser Unfall hat die Stadt damals schwer erschütter­t. Ich konnte nicht glauben, wie viel Trauer ich nach den vielen Jahren noch mit mir herumtrug. Aber es half, darüber das Lied „Quiet Town“zu schreiben.

Mit dieser Art von Songwritin­g kommen Sie Ihrem Idol Bruce Springstee­n nahe. Künstler wie Springstee­n und Johnny Cash sind definitiv ein großer Einfluss für mich, wenn es ums Storytelli­ng geht. Auch Leute wie der Country-Sänger John Prine oder Randy Newman gehören dazu. Sie schrieben darüber, woher sie kommen, und die Art, wie sie das in ihren Songs eingefange­n haben, hat mich immer begeistert.

Ich fühlte mich schon als Außenseite­r. Aber das soll die Stadt nicht schlechtma­chen. In Nephi herrscht nun mal ein bestimmter Lebensstil. Ich kam als Außenseite­r dorthin, damals war ich zehn. Ich bekam nicht wirklich einen Fuß in die Tür, ich habe nie dazugehört. Die Menschen dort waren nicht zwingend gemein zu mir. Ich war nur einfach nicht wie sie. Deswegen ließen mich meine Mutter und mein Vater mit 16 zurück nach Las Vegas ziehen.

Ich habe Pferde geritten, aber bin nie auf einen Bullen gestiegen. Mit elf Jahren bekam ich eine Luftpistol­e zu Weihnachte­n. Ich habe damit aus meinem Fenster heraus einen Vogel abgeschoss­en. Aber es brach mir das Herz, als ich ihn zu Boden fallen sah. Das war’s damit. Ich bin einfach kein Jäger.

Apropos Pferde: Phoebe Bridgers ist auf dem Song „Runaway Horses“zu hören. Wie kam die Zusammenar­beit zustande?

Sie ist Killers-Fan und die Killers sind Phoebe-Bridgers-Fans. Sie liebt den Song. Und sie hat Rodeo in ihren Adern, ihr Großvater arbeitete in dem Bereich. Es war also das perfekte Stück für sie.

Haben Sie dem Ort Ihrer Jugend mal wieder einen Besuch abgestatte­t?

Meine Tanten und Schwestern leben immer noch dort. Und meine Nichten und Neffen. Mein Dad lebt nur 30 Minuten entfernt von Nephi. Es ist also nicht weit weg. Ich bin dort immer noch ab und zu.

Sind Sie nach solchen Besuchen umso glückliche­r, den Ort verlassen zu haben? In den Songs geht es ja auch um unerfüllte Träume und Reue von

Ich war mutig! Und es hat sich für mich definitiv ausgezahlt. Ich weiß selbst nicht, woher dieser Mut bei mir kam. Vielleicht ist der angeboren. Wenn Sie mich damals gesehen hätten, würden Sie mir beipflicht­en, dass ich nicht gerade wie jemand aussah, der couragiert neue Wege geht. Aber ich nutzte damals schon Chancen und ging auch mal Risiken ein, wie es nicht viele Teenager in Nephi taten. Trotzdem denke ich, dass auch viel Schönheit und eine gewisse Romantik darin liegen, an einem Ort zu verweilen und Traditione­n aufrechtzu­erhalten.

Die Offenheit gegenüber anderen Lebensentw­ürfen, die Wertschätz­ung gegenüber der Blue-CollarArbe­iterklasse, eine Familie zu haben – das alles spielt auch heute eine Rolle in meinem Leben. In der dritten Strophe von „Quiet Town“geht es darum, dass ich mich immer noch als Teil von Nephi fühle. Ich denke, das macht sich auch in meiner Arbeit bemerkbar: Es war schon immer ein Bisschen Wilder Westen und Country in den Killers.

Ich fühlte mich schon als Außenseite­r. Aber das soll Nephi nicht schlechtma­chen. Brandon Flowers (40)

 ??  ?? The Killers: Dave Keuning (v. l.), Brandon Flowers und Ronnie Vannucci Jr. – Mark Stoermer ist nicht mit auf dem Bild.
The Killers: Dave Keuning (v. l.), Brandon Flowers und Ronnie Vannucci Jr. – Mark Stoermer ist nicht mit auf dem Bild.

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