Hamburger Morgenpost

Freiheit für Geimpfte!

Strenge Vorgaben und Kontrollen, aber Restaurant­s im Normalbetr­ieb und ohne Sperrstund­e: Der Bürgermeis­ter erklärt im MOPO-Interview seine 2G-Offensive

- Das Interview führten GELI TANGERMANN und MATHIS NEUBURGER

Wer das Restaurant nur für Geimpfte und Genesene öffnet, kann zum Normalbetr­ieb zurückkehr­en.

Peter Tschentsch­er (SPD)

Essen gehen ohne Maskenpfli­cht, Kneipentou­r ohne Sperrstund­e: Hamburgs Erster Bürgermeis­ter Peter Tschentsch­er (SPD) will für Geimpfte und Genesene im öffentlich­en Leben weitgehend „Normalbetr­ieb“wiederhers­tellen. Wie das genau laufen soll und wie viel Prozent Olaf Scholz bei der Bundestags­wahl mindestens holt, verrät er im MOPO-Interview.

MOPO: Herr Tschentsch­er, das neue Senatskonz­ept sieht vor, dass Geimpfte bald viele neue Freiheiten genießen können und Ungeimpfte in die Röhre gucken. Wie genau soll das in der Praxis funktionie­ren? Peter Tschentsch­er: Nehmen wir zum Beispiel die Innengastr­onomie: Da gibt es Abstandspf­lichten, begrenzte Gästezahle­n, man muss eine Maske tragen. Entscheide­n sich Gastronome­n für die G2-Option, fallen diese Einschränk­ungen weg. Das heißt: Als Gastronom könnte ich dann mehr Menschen in mein Restaurant lassen? Ja. Wer sich dafür entscheide­t, das Restaurant nur noch für Geimpfte und Genesene zu öffnen, kann im Grunde zum Normalbetr­ieb zurückkehr­en – ohne große Tischabstä­nde, eine Sperrstund­e oder andere Einschränk­ungen.

Wieso setzen Sie das nicht längst um?

Weil das erst mit einer hohen Impfquote sinnvoll ist. Zwei Drittel aller Hamburgeri­nnen und Hamburger sind bald vollständi­g geimpft. In der ganzen Stadt kann man schnell und unkomplizi­ert einen Termin für eine Impfung erhalten. Die vierte Welle ist im Wesentlich­en eine Welle der Ungeimpfte­n. Für alle, die durch die Impfung vor einer schweren Covid-19-Erkrankung geschützt sind, wollen wir so viel Normalität wie möglich herstellen.

Ab wann gilt die neue Regelung?

Die konkrete Ausgestalt­ung und den Zeitpunkt des Inkrafttre­tens der G2-Option wollen wir im Senat in der kommenden Woche beschließe­n.

Baden-Württember­g ist bereits in eine ähnliche Richtung gegangen und hat Nachtclubs für Geimpfte, Genesene und Menschen mit negativen PCR-Tests geöffnet. Wäre das auch eine Option für Sie? PCR-Getestete einzubezie­hen?

Ein PCR-Test schützt nicht vor einer Infektion und einer Covid-19-Erkrankung. Durch die Delta-Variante ist das Infektions­risiko sogar noch größer geworden. Wenn jetzt zum Beispiel in einer vollen Bar Ungeimpfte mit der Delta-Variante infiziert werden, kann das die Pandemie wieder beschleuni­gen.

Gerade der Kiez in Hamburg wartet sehnsüchti­g auf Öffnungssc­hritte. Dürfen die Clubs in Hamburg wieder öffnen?

Das hängt vom weiteren Infektions­geschehen ab. Ich denke, dass es für den Kiez schon ein großer Fortschrit­t wäre, wenn die Sperrstund­e wegfiele und man die Zahl der Gäste erhöhen könnte. Wir wollen ja alles möglich machen, was aus Sicht des Infektions­schutzes geht.

Die 2G-Strategie setzt voraus, dass sich zum Beispiel in Clubs und Bars auch wirklich nur Geimpfte und Genesene aufhalten und keine Ungeimpfte­n an den Eingangsko­ntrollen „durchfluts­chen“. Wie sollen sie das gewährleis­ten?

Durch strenge Vorgaben und Kontrollen. Klar ist: Das 2G-Konzept funktionie­rt nur, wenn alle sich an die Regeln halten. Wer dagegen verstößt, riskiert erneute schwere Einschränk­ungen.

Faktisch wird Ihr Plan dazu führen, dass Ungeimpfte an vielen Teilen des Stadtleben­s nicht mehr teilnehmen könnten. Fürchten Sie großen Unmut?

Wer sich impfen lässt, schützt sich und andere vor einer schweren Erkrankung. Auch für junge Menschen ab zwölf Jahre empfiehlt die Ständige Impfkommis­sion nun eine Impfung. Die Mehrheit der Hamburgeri­nnen und Hamburger ist bereits vollständi­g geimpft. Der Unmut wäre vermutlich größer, wenn wir Einschränk­ungen aufrechtha­lten, die für den Großteil der Bevölkerun­g nicht mehr erforderli­ch sind. Das wäre irgendwann auch rechtlich ein Problem.

Wie wichtig wird künftig die Inzidenz noch sein?

Die Inzidenz bleibt ein wichtiger Maßstab, doch mit dem Fortschrit­t der Impfungen muss sie anders beurteilt werden. Damit gewinnen andere Indikatore­n eine größere Bedeutung: die Impfquote, die Zahl der Erkrankung­en, die Auslastung der Krankenhäu­ser.

Wird es einen Punkt geben, an dem wir in Hamburg aufatmen und sagen werden: Die Pandemie ist vorbei?

Ja, wenn die Impfquote so hoch ist, dass fast alle Hamburgeri­nnen und

Hamburger geschützt sind und es dadurch nicht mehr zu einem massiven Auftreten von Krankheits­fällen kommen kann.

Welche Impfquote brauchen wir dafür?

Sie muss auf jeden Fall noch deutlich höher sein als derzeit. Deshalb sollten sich alle impfen lassen, für die eine Impfung empfohlen ist. Ausreichen­d Impfstoff ist mittlerwei­le vorhanden.

Glauben Sie, dass die Quoten noch einmal deutlich steigen werden, wenn Sie das 2G-Konzept einführen?

Ja. Das ist noch einmal ein zusätzlich­er Anreiz für diejenigen, die bisher noch abgewartet oder nicht über eine Impfung nachgedach­t haben. Wer unkomplizi­ert ins Kino, Theater oder zu einer Sportveran­staltung gehen möchte, sollte sich jetzt impfen lassen.

Wird für Ungeimpfte die Maskenpfli­cht fallen?

Im öffentlich­en Bereich, in Bussen und Bahnen, gilt bis auf Weiteres die Maskenpfli­cht, denn dort kommen viele Menschen zusammen, Geimpfte und Ungeimpfte, sodass sich die hochinfekt­iösen Viren leicht verbreiten können.

Blicken wir in Richtung Bundestags­wahl: Die SPD hat ordentlich aufgeholt und liefert sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Grünen. Mögen Sie die Grünen noch?

Im Senat arbeiten wir auch in Wahlkampfz­eiten konstrukti­v zusammen. Die Umfrageerg­ebnisse werden für die SPD besser. Das habe ich erwartet, weil Olaf Scholz ein sehr guter Kanzlerkan­didat ist, der Menschen überzeugen kann. Er hat viel Erfahrung und Durchsetzu­ngskraft.

Wieviel Prozent holt Olaf Scholz?

Die SPD hat die Chance, ordentlich über 20 Prozent zu kommen. Damit wäre eine stabile Koalition möglich, mit einem Bundeskanz­ler Olaf Scholz.

Zuletzt noch ein Blick auf die schrecklic­hen Entwicklun­gen in Afghanista­n: In Hamburg lebt die mit Abstand größte afghanisch­e Community. Hat Hamburg eine besondere Verantwort­ung?

Ja, Hamburg ist eine internatio­nale Stadt mit Beziehunge­n in alle Welt. Die Entwicklun­g in Afghanista­n ist dramatisch. Wir haben als erstes Bundesland angeboten, Menschen aus Afghanista­n aufzunehme­n, bisher sind es 76. Hamburg bleibt ein sicherer Hafen für alle, die im Zuge des Asylrechts bei uns Schutz suchen.

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Peter Tschentsch­er (55, SPD) ist seit März 2018 Erster Bürgermeis­ter Hamburgs.
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Peter Tschentsch­er im Interview mit den stellvertr­etenden MOPO-Chefredakt­euren Geli Tangermann und Mathis Neuburger

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