Jetzt hat Scholz Laschet eingeholt!
Historisch schlechter Umfragewert für Union. Analyse: Kommt jetzt doch noch Söder ins Spiel?
Berlin – Die SPD zieht in Umfragen mit der Union gleich! Klingt ein bisschen nach Volkspartei-Zeiten, als beide sich in der Wählergunst irgendwo zwischen 35 Prozent und weit über 40 wiederfanden. Tatsächlich liegen beide im Sonntagstrend von „Insa“für „Bild am Sonntag“bei 22 Prozent. Auch wenn die Union beim Einläuten der heißen Wahlkampfphase offiziell Optimismus verbreiten wollte: Intern herrscht spätestens jetzt blanke Panik, dass man im Herbst in der Opposition landen könnte.
Das große Finale auf der Bühne gehörte am Samstag dem Chef. Nachdem die Kanzlerin ihn zuvor zu ihrem sicheren Nachfolger erklärt und CSU-Chef Markus Söder zumindest vordergründig seine Solidarität bekundet hatte. Und dann? Wirkte Armin Laschet sichtlich nervös, aus jeder Pore schien der Wunsch zu dringen: Jetzt bloß keinen Fehler machen! Und dann passierte es doch, mal wieder. Die GSG 9 habe 1977, fünf Jahre nach ihrer Gründung, „Deutsche aus der entführten Lufthansa-Maschine in Landshut befreit“, so Laschet.
Dumm nur: Es ging um das Flugzeug mit dem Namen „Landshut“, das damals in der somalischen Hauptstadt Mogadischu von der Spezialeinheit gestürmt wurde. Auf Twitter war das Gespött groß: „Das passiert, wenn man die von anderen gebastelte Rede nicht vorher einmal durchgelesen hat“, schrieb stellvertretend eine Nutzerin.
Tags darauf platzte die nächste Bombe: Historischer UmfragenTiefstwert der Union, die SPD gleichauf mit 22 Prozent!
Nun unterliegen Umfragen gewaltigen Schwankungen – doch wer sich derzeit in Unionskreisen umhört, merkt schnell: Die Stimmung ist im Keller. Der Straßenwahlkampf – sei eine Qual. Einige hätten sogar gehofft, dass Laschet von sich aus rechtzeitig die Segel streicht, ist zu vernehmen. Aber jetzt sei es schlicht zu spät, der Wahlkampf werde ja wochenlang vorbereitet und auch auf den Kandidaten zugeschnitten. Der Strohhalm, an den man sich klammert: den Gegner härter attackieren, das Schreckgespenst der Konservativen, Rot-Rot-Grün, stärker in den Fokus rücken.
Ein Aufbruch-Signal indes ging von der Wahlshow am Samstag nicht aus. Das Ruder rumreißen, Zuversicht und Geschlossenheit ausstrahlen und der perfekte Auftritt: Der Plan für die Veranstaltung war eigentlich klar. Dann patzte Laschet doch wieder. Und sein CSU-Kollege Markus Söder setzte versteckte Nadelstiche, obwohl er vordergründig so tat, als ob sie beide („der Armin und ich“) an einem Strang zögen.
Dass er sich selbst immer noch für den besseren Kandidaten hält, das war im Subtext immer wieder rauszuhören. „Jetzt müssen wir zulegen. Ich habe keinen Bock auf Opposition“, stellte Söder klar. „Am Ende kommt es auf den Kanzlerkandidaten an!“Kann man als Solidaritätsbekundung lesen, kann aber auch heißen: Wenn wir es am Ende nicht schaffen, wer war dann schuld? Laschet natürlich!
„Wir haben unglaublich viele Leben gerettet“, so Söder zur CoronaKrise. Sollte wohl heißen: Merkel, ich und die anderen aus dem „Team Vorsicht“waren das, nicht aber der zaudernde und immer an den Maßnahmen zweifelnde Laschet. Weitere Söder-Forderung: „Wir brauchen gezielte Steuersenkungen!“Laschet war da hingegen zuletzt uneindeutig.
Bei all den Missgeschicken, bei der fehlenden Geschlossenheit: Hat die Union in ihrem Laschet-Dilemma überhaupt noch eine Chance, das Ruder in den Wochen vor der Wahl rumzureißen?
Der Politikwissenschaftler Jürgen Falter sagte im Deutschlandfunk: „Armin Laschet bringt keinen Schwung in den Wahlkampf hinein.“Er habe zu lange „auf seine Nettigkeit gesetzt“, die er ohne Zweifel habe. Ansonsten habe man aber nur auf eine „low level“-Strategie gesetzt, so Falter weiter. Nach dem Motto: Die anderen werden Fehler machen, wir tun so lange niemandem weh. Fehler machte neben der Grünen Baerbock vor allem Laschet selbst.
Das Einzige, was noch helfen könne: klare Stellungnahmen, klare
Führung in Krisen-Situationen, klare inhaltliche Positionierungen, ein sichtbares Team. Eine härtere Gangart gegenüber der Konkurrenz, die komme indes vermutlich zu spät. Ein Grund: die Briefwahl. Tatsächlich lässt sich zweierlei beobachten: Auf der einen Seite steht der Trend, dass es immer weniger Stammwähler:innen gibt. Dass häufiger tagesaktuelle Themen Wahlen beeinflussen, dass immer mehr Menschen erst in der Wahlkabine ihre Entscheidung fällen. In fünf Wochen etwa könnte Corona dann eine wieder größere Rolle spielen, sollte es erneut zu Schutz-Maßnahmen kommen.
Andererseits dürften – wegen Corona – ungewöhnlich viele Menschen dieses Jahr eine Briefwahl bevorzugen. Schon 2017 waren es mehr als 28 Prozent. Der Bundeswahlleiter Georg Thiel rechnete in der ARD mit einer „erheblichen Steigerung der Briefwahlbeteiligung“. Heißt: Alle Aufhol-Bemühungen der Union hätten für diese Wähler gar keine Bedeutung mehr. Für Korrekturen wäre es hier schon zu spät.
Der Hamburger CDU-Chef Christoph Ploß indes gibt sich gegenüber der MOPO kämpferisch: „Klar ist: Wir müssen jetzt richtig Gas geben.“Er sei zuversichtlich, dass Laschet Stimmung und Trend in den verbleibenden Wochen noch einmal drehen könne. „Unser Ziel bei der Bundestagswahl müssen 30 Prozent plus X sein.“
Armin Laschet bringt keinen Schwung in den Wahlkampf hinein.
Politikwissenschaftler Jürgen Falter