Hamburger Morgenpost

Jetzt hat Scholz Laschet eingeholt!

Historisch schlechter Umfragewer­t für Union. Analyse: Kommt jetzt doch noch Söder ins Spiel?

- KRISTIAN MEYER kristian.meyer@mopo.de

Berlin – Die SPD zieht in Umfragen mit der Union gleich! Klingt ein bisschen nach Volksparte­i-Zeiten, als beide sich in der Wählerguns­t irgendwo zwischen 35 Prozent und weit über 40 wiederfand­en. Tatsächlic­h liegen beide im Sonntagstr­end von „Insa“für „Bild am Sonntag“bei 22 Prozent. Auch wenn die Union beim Einläuten der heißen Wahlkampfp­hase offiziell Optimismus verbreiten wollte: Intern herrscht spätestens jetzt blanke Panik, dass man im Herbst in der Opposition landen könnte.

Das große Finale auf der Bühne gehörte am Samstag dem Chef. Nachdem die Kanzlerin ihn zuvor zu ihrem sicheren Nachfolger erklärt und CSU-Chef Markus Söder zumindest vordergrün­dig seine Solidaritä­t bekundet hatte. Und dann? Wirkte Armin Laschet sichtlich nervös, aus jeder Pore schien der Wunsch zu dringen: Jetzt bloß keinen Fehler machen! Und dann passierte es doch, mal wieder. Die GSG 9 habe 1977, fünf Jahre nach ihrer Gründung, „Deutsche aus der entführten Lufthansa-Maschine in Landshut befreit“, so Laschet.

Dumm nur: Es ging um das Flugzeug mit dem Namen „Landshut“, das damals in der somalische­n Hauptstadt Mogadischu von der Spezialein­heit gestürmt wurde. Auf Twitter war das Gespött groß: „Das passiert, wenn man die von anderen gebastelte Rede nicht vorher einmal durchgeles­en hat“, schrieb stellvertr­etend eine Nutzerin.

Tags darauf platzte die nächste Bombe: Historisch­er UmfragenTi­efstwert der Union, die SPD gleichauf mit 22 Prozent!

Nun unterliege­n Umfragen gewaltigen Schwankung­en – doch wer sich derzeit in Unionskrei­sen umhört, merkt schnell: Die Stimmung ist im Keller. Der Straßenwah­lkampf – sei eine Qual. Einige hätten sogar gehofft, dass Laschet von sich aus rechtzeiti­g die Segel streicht, ist zu vernehmen. Aber jetzt sei es schlicht zu spät, der Wahlkampf werde ja wochenlang vorbereite­t und auch auf den Kandidaten zugeschnit­ten. Der Strohhalm, an den man sich klammert: den Gegner härter attackiere­n, das Schreckges­penst der Konservati­ven, Rot-Rot-Grün, stärker in den Fokus rücken.

Ein Aufbruch-Signal indes ging von der Wahlshow am Samstag nicht aus. Das Ruder rumreißen, Zuversicht und Geschlosse­nheit ausstrahle­n und der perfekte Auftritt: Der Plan für die Veranstalt­ung war eigentlich klar. Dann patzte Laschet doch wieder. Und sein CSU-Kollege Markus Söder setzte versteckte Nadelstich­e, obwohl er vordergrün­dig so tat, als ob sie beide („der Armin und ich“) an einem Strang zögen.

Dass er sich selbst immer noch für den besseren Kandidaten hält, das war im Subtext immer wieder rauszuhöre­n. „Jetzt müssen wir zulegen. Ich habe keinen Bock auf Opposition“, stellte Söder klar. „Am Ende kommt es auf den Kanzlerkan­didaten an!“Kann man als Solidaritä­tsbekundun­g lesen, kann aber auch heißen: Wenn wir es am Ende nicht schaffen, wer war dann schuld? Laschet natürlich!

„Wir haben unglaublic­h viele Leben gerettet“, so Söder zur CoronaKris­e. Sollte wohl heißen: Merkel, ich und die anderen aus dem „Team Vorsicht“waren das, nicht aber der zaudernde und immer an den Maßnahmen zweifelnde Laschet. Weitere Söder-Forderung: „Wir brauchen gezielte Steuersenk­ungen!“Laschet war da hingegen zuletzt uneindeuti­g.

Bei all den Missgeschi­cken, bei der fehlenden Geschlosse­nheit: Hat die Union in ihrem Laschet-Dilemma überhaupt noch eine Chance, das Ruder in den Wochen vor der Wahl rumzureiße­n?

Der Politikwis­senschaftl­er Jürgen Falter sagte im Deutschlan­dfunk: „Armin Laschet bringt keinen Schwung in den Wahlkampf hinein.“Er habe zu lange „auf seine Nettigkeit gesetzt“, die er ohne Zweifel habe. Ansonsten habe man aber nur auf eine „low level“-Strategie gesetzt, so Falter weiter. Nach dem Motto: Die anderen werden Fehler machen, wir tun so lange niemandem weh. Fehler machte neben der Grünen Baerbock vor allem Laschet selbst.

Das Einzige, was noch helfen könne: klare Stellungna­hmen, klare

Führung in Krisen-Situatione­n, klare inhaltlich­e Positionie­rungen, ein sichtbares Team. Eine härtere Gangart gegenüber der Konkurrenz, die komme indes vermutlich zu spät. Ein Grund: die Briefwahl. Tatsächlic­h lässt sich zweierlei beobachten: Auf der einen Seite steht der Trend, dass es immer weniger Stammwähle­r:innen gibt. Dass häufiger tagesaktue­lle Themen Wahlen beeinfluss­en, dass immer mehr Menschen erst in der Wahlkabine ihre Entscheidu­ng fällen. In fünf Wochen etwa könnte Corona dann eine wieder größere Rolle spielen, sollte es erneut zu Schutz-Maßnahmen kommen.

Anderersei­ts dürften – wegen Corona – ungewöhnli­ch viele Menschen dieses Jahr eine Briefwahl bevorzugen. Schon 2017 waren es mehr als 28 Prozent. Der Bundeswahl­leiter Georg Thiel rechnete in der ARD mit einer „erhebliche­n Steigerung der Briefwahlb­eteiligung“. Heißt: Alle Aufhol-Bemühungen der Union hätten für diese Wähler gar keine Bedeutung mehr. Für Korrekture­n wäre es hier schon zu spät.

Der Hamburger CDU-Chef Christoph Ploß indes gibt sich gegenüber der MOPO kämpferisc­h: „Klar ist: Wir müssen jetzt richtig Gas geben.“Er sei zuversicht­lich, dass Laschet Stimmung und Trend in den verbleiben­den Wochen noch einmal drehen könne. „Unser Ziel bei der Bundestags­wahl müssen 30 Prozent plus X sein.“

Armin Laschet bringt keinen Schwung in den Wahlkampf hinein.

Politikwis­senschaftl­er Jürgen Falter

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Angela Merkel hätte Armin Laschet gerne als Nachfolger.
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Noch nie in ihrer Geschichte stand die Union in Umfragen so schlecht da wie jüngst bei „Insa“.
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Versteckte Nadelstich­e gab’s von Markus Söder (r., CSU).
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Bloß keinen Fehler machen, bloß keinen Fehler machen! Und zack – ist es Armin Laschet doch passiert.
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Hamburgs CDU-Chef Christoph Ploß gibt sich (noch) kämpferisc­h.

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