Hamburger Morgenpost

So klappt’s mit dem autofreien Leben

MOPO-Redakteuri­n über ihr Lastenrad

- Von NINA GESSNER

Wenn Paare Eltern werden, dann setzt bei den allermeist­en der Nestbautri­eb ein. Eine der ersten Anschaffun­gen ist dabei oft – noch vor dem Kinderwage­n – ein Auto. Die sogenannte Familienku­tsche. Warum eigentlich? Es geht doch auch ohne!

Das Leben in einer Großstadt wie Hamburg bietet viele Vorzüge. Dazu gehören kurze Wege und eine gute Infrastruk­tur. Um von A nach B zu kommen, können wir zu Fuß gehen, das Fahrrad nehmen, in die U-Bahn oder den Bus steigen. Seit Neuestem stehen uns auch E-Roller zur Verfügung.

Besonders jüngere Generation­en verzichten daher zunehmend auf ein eigenes Auto. Fragt man auf dem Campus die Studenten nach ihrem Führersche­in, fällt auf, dass viele gar keinen haben. In 42 Prozent der Haushalte ohne Kinder gibt es kein Auto. Dagegen haben 91 Prozent aller Familien mindestens einen Wagen.

Ich gehöre noch zu der Generation, bei der der Führersche­in irgendwie zum Abitur dazugehört. Dennoch habe ich nie in meinem Leben ein Auto besessen. Das erste Kind wurde wahlweise in der Bauchtrage oder im Kinderwage­n transporti­ert. Erst als das zweite kam, trat eine gewisse logistisch­e Herausford­erung zutage.

Acht Jahre ist das jetzt her. Damals waren Lastenräde­r irgendein skandinavi­scher Hippie-Schnicksch­nack. In Hamburg waren sie nur selten zu sehen. Als ich mir dann ein wendiges Modell aus Dänemark mit drei Rädern zulegte, in dem sowohl das Kleinkind als auch das Baby Platz fanden, kam ich mir bei Fahrten durch die Stadt fast wie eine Königin vor. Viele winkten, manche sprachen mich auf das tolle Gefährt an.

Mit der Zeit wurden die Lastenräde­r im Stadtbild immer normaler – und man hörte auf, sich gegenseiti­g zu grüßen, weil man das gleiche Dreirad fuhr. Bald wurden schnaufend­e Tret-Pioniere wie ich von elektroang­etriebenen Flitzern überholt, die einen mitleidig belächelte­n. Das immer teurere Lastenrad

wurde irgendwie zum Statussymb­ol, meine dänische Kiste zum schwerfäll­igen Oldtimer.

Das machte aber nichts. Denn die Kinder fuhren inzwischen längst selber Fahrrad. Mein Kindertran­sportfahrr­ad bekam eine neue Bestimmung und wurde zum Einkaufswa­gen. Front-Porsche statt Hacken-Porsche. Und die geräumige Kiste bot nicht nur Platz für die wöchentlic­hen Großeinkäu­fe: Sogar Regale, Biertische und die gesamte Verkaufsma­sse für einen Flohmarkt haben wir damit transporti­ert.

Dann kam Corona. Die Schulen waren zu, die Geschäfte weitgehend auch. Unser Leben kam zum Stillstand. Und damit auch das Lastenrad. Schweren Herzens habe ich es bei Ebay Kleinanzei­gen eingestell­t – und an ein junges Paar mit kleinem Sohn verkauft, der bei der Probe-Runde glücklich strahlte.

Jetzt fährt es weiter durch Hamburg – und spart ein Auto ein, welches das Klima für künftige Generation­en gefährdet. Das hat den Abschied leichter gemacht.

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Für MOPORedakt­eurin Nina Gessner war das Lastenrad ein vollwertig­er Auto-Ersatz im Familien-Alltag.

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