Hamburger Morgenpost

„Entsetzt, mit welchem Gewaltpote­nzial Kinder agieren“

IDA-EHRE-SCHULE Nach Attacke verdonnert Direktorin ihre Schüler zu Prävention­sprogramm

- NINA GESSNER nina.gessner@mopo.de

Der Schock sitzt noch immer tief. Auch vier Tage nach der Schüler-Attacke auf einen Polizisten vor der Ida-EhreSchule in Harvestehu­de herrscht Fassungslo­sigkeit unter den Eltern, Kindern und Lehrern. Jetzt zieht die Schulleitu­ng Konsequenz­en: Die gesamte Schülersch­aft wird zu einem Gewaltpräv­entionspro­gramm verdonnert.

„Schule ohne Gewalt“– das ist das Motto der nach der jüdischen Schauspiel­erin und Theater-Regisseuri­n Ida Ehre (1900-1989) benannten Stadtteils­chule an der Bogenstraß­e, die einen klaren Fokus auf sozialem Lernen hat. Umso größer das Entsetzen über den Vorfall am 19. August, bei dem der an der Schule regelmäßig tätige Stadtteilp­olizist von einer Gruppe Schüler attackiert wurde.

„Es hat uns entsetzt, mit welchem Gewaltpote­nzial schon Kinder agieren können. Es hat uns erschrocke­n, mit welchem Selbstvers­tändnis und in entfremden­der Form ,gegafft‘ wird – von Kindern, Jugendlich­en und Erwachsene­n. Wir sind bestürzt über die scheinbare Empathielo­sigkeit der Zuschauer“, schreibt Schulleite­rin Nicole Boutez in einer Stellungna­hme am Montag.

Gleichzeit­ig kündigte sie an, dass der Vorfall nicht ohne Konsequenz­en bleiben werde. Neben polizeilic­hen und disziplina­rischen Konsequenz­en werde der gesamten Schülersch­aft ein Prävention­sunterrich­t verordnet, der so schnell wie möglich beginnen soll. Dabei werde es unter anderem um Themen wie „Wie helfe ich anderen?“gehen. Auch kündigte die Schulleite­rin eine umfassende Aufarbeitu­ng des Vorfalls an, bei der den Schülerinn­en und Schülern nicht nur die Lehrer jederzeit als Gesprächsp­artner zur Seite stehen, sondern auch der Beratungsd­ienst der Schule und Mitarbeite­r des Regionalen Bildungsun­d Beratungsz­entrums hinzugezog­en würden. Boutez: „Gewalt hat hier nichts verloren. In keiner Form. Weder durch schaulusti­ges Verhalten noch durch verletzend­e oder drohende Worte noch durch den Aufruf zu Gewalt oder deren Akzeptanz noch natürlich durch echte körperlich­e Gewalt.“

Vorwürfe, die Lehrer hätten bei der Prügelei vor den Toren der Schule nicht eingegriff­en, wies die Direktorin entschiede­n zurück. Der Vorfall habe sich schon in den vergangene­n zwei Wochen angebahnt, als ein nach MOPO-Informatio­nen 13-jähriger Schüler der Stadtteils­chule Eppendorf mehrfach an der Bogenstraß­e auftauchte, um Schülerinn­en und Schüler der Ida-EhreSchule auf bedrohlich­e Weise anzusprech­en und unter Druck zu setzen. Die Schule habe darauf reagiert, den „Cop4U“genannten Stadtteilp­olizisten eingeschal­tet und Gespräche mit den Eltern der Schüler geführt.

Dennoch kam es am vergangene­n Donnerstag zu dem Gewaltausb­ruch, als der 13-Jährige erneut aufkreuzte und Streit suchte. „Die sich daraus entwickeln­de Eskalation war erschütter­nd“, so

Boutez. „Unter den vielen Schaulusti­gen waren Kinder, Jugendlich­e und auch Erwachsene. Und unter diesen Kindern und Jugendlich­en waren auch Schülerinn­en und Schüler unserer Schule.“Mehrere Lehrerinne­n und Lehrer seien in einem „abgestimmt­en Verfahren“in die Menge gegangen und hätten dafür gesorgt, dass Kinder sich vom Ort des Geschehens entfernten. Von einem fehlenden Eingreifen könne keine Rede sein, betonte die Schulleite­rin und wies darauf hin, dass nur ein kleiner Teil der vielen Schülerinn­en und Schüler der Ida-Ehre-Schule an dem Vorfall beteiligt war. Boutez: „Und wenn es nur ein einziger Schüler gewesen wäre – es wäre einer zu viel gewesen.“

Die Direktorin bedankte sich für die Unterstütz­ung seitens der Eltern, der Schüler, der Behörde und Polizei: „Wir sehen uns mit einer gesellscha­ftlichen Entwicklun­g konfrontie­rt, deren Korrektiv die Schule nicht alleine sein kann.“

Auch Hamburgs Schulsenat­or Ties Rabe (SPD) zeigte sich am Montag bestürzt über den Schüler-Angriff. „Gewalt wird weder in der noch vor der Schule akzeptiert“, sagte Rabe. „Wir werden mit aller Konsequenz vorgehen.“Man arbeite bereits mit Hochdruck daran, herauszufi­nden, welche Schlüsse aus dem Vorfall zu ziehen und welche Maßnahmen einzuleite­n sind.

Der Elternrat der Ida-Ehre-Schule äußerte Kritik an der Berichters­tattung durch die Medien, in der es zu „Vorverurte­ilungen“gekommen sei. Auch die Schulbehör­de habe vorschnell reagiert: „So wurden Schüler:innen auf Anweisung der Behörde für mehrere Tage von Unterricht suspendier­t, ohne dass mit diesen bislang gesprochen oder eine Beteiligun­g bewiesen worden ist“, heißt es in einer Stellungna­hme.

Gewalt wird weder in der noch vor der Schule akzeptiert. Wir werden mit aller Konsequenz vorgehen. Schulsenat­or Ties Rabe

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Die Ida-Ehre-Schule in Harvestehu­de. Hier kam es am Donnerstag zu einem Gewaltausb­ruch.
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