Hamburger Morgenpost

„Hatten wir alle eine zu gute Zeit?“

Bloggerin über den richtigen Umgang mit Tieren und Lebensmitt­eln

-

Im Podcast „Wie ist die Lage?“spüren wir seit über einem Jahr tagesaktue­llen Fragen nach. Dafür spricht Gute-Leude-Chef Lars Meier fast jeden Tag mit einer interessan­ten Hamburger Persönlich­keit: Macher:innen, Musiker:innen, Models und Politiker:innen, genauso wie Sportler:innen, Freiberufl­er:innen und Helfer:innen – sie alle kommen eine Viertelstu­nde im Podcast zu Wort. Wir möchten von ihnen wissen, wie Hamburg denkt und was die Menschen in der Hansestadt bewegt. Heute macht dies Asklepios möglich. Die Gespräche finden über das Telefon statt. Heute spricht PR-Profi Lars Meier mit der Food-Bloggerin Sandra Bock.

Lars Meier: Frau Bock, gemeinsam mit Ihrem Team haben Sie die Erlebniswe­lt „Farm to Table“geschaffen. Über Social Media und eine eigene Seite informiere­n Sie über lokale Erzeuger:innen und Restaurant­s. Was ist Ihre Grundidee? Sandra Bock:

Die Idee ist, regionale Erzeuger guter Lebensmitt­el mit Restaurant­s in und um Hamburg zusammenzu­bringen, Geschichte­n zu erzählen und Rezepte zu erfinden, die saisonal, regional und möglichst nachhaltig sind, um Bewusstsei­n dafür zu schaffen, dass man nicht immer ganz weit greifen muss, um einen interessan­ten Teller zu kreieren oder sich selbst zu ernähren.

Das ist ja ein Bewusstsei­n, das man noch von den Großeltern kennt. Hatten wir in den vergangene­n 40 Jahren alle eine zu gute Zeit?

Ich glaube, es hat alles mit einem veränderte­n Bewusstsei­n zu tun. Die 80er- und 90er-Jahre waren ja Wohlstands­jahrzehnte. Es waren extreme Jahre, in denen man die Welt entdeckte und andere Kontinente irgendwie greifbarer wurden, was die Erreichbar­keit von Lebensmitt­eln angeht. Ich kann mich mit meinen 50 Jahren daran erinnern, dass ich die Kiwi entdeckte oder auf einmal exotische Früchte wie Papayas sah. Das war eine Zeit, in der man wahrschein­lich mal etwas anderes erleben wollte und sich keine Gedanken darüber machte, was es bedeutet, wenn das über den Ozean geschipper­t wird oder aus Anbauregio­nen kommt, wo es eigentlich gar nicht genug Wasser dafür gibt oder wo man nur mit vielen Pestiziden zu einem Ergebnis kommt. Da hat man mittlerwei­le ein anderes Bewusstsei­n, glaube ich. Einerseits macht man sich Gedanken um den Klimawande­l, anderersei­ts auch um gesunde Ernährung. Ich komme aus einer Familie, die in den 80er-Jahren eines der ersten Reformhäus­er auf einem niedersäch­sischen Dorf eröffnet hat. Ich glaube, dass dieses Bewusstsei­n, wie man sich heute um das körperlich­e Wohlbefind­en kümmert, raus aus der Biound Strickpull­overecke ist. Das sieht man auch an den Supermarkt­regalen, wo selbst die Eigenmarke­n von Rewe und Co ein vielfältig­es BioSortime­nt bieten. Gesunde Ernährung geht mit einem höheren Genussfakt­or, als manche sich das vorstellen.

Sie zeigen, wie Restaurant­s das machen. Ist der Effekt, dass die Leute zurückkehr­en zum Selberkoch­en?

Wir würden auch gerne zeigen, wie man verantwort­ungsvoller mit Tieren und Lebensmitt­eln umgeht. Da ist nicht nur die Aufzucht eine Frage, sondern auch, wie man sie komplett verwertet. Wir haben bei „Farm to Table“für uns ethische Werte definiert. Das eine ist, dass die Produkte aus der Region kommen. Wir möchten auch gerne, dass es insgesamt immer unter dem Aspekt des verantwort­ungsvollen und fairen Umgangs ist, sowohl mit den Menschen, die es erzeugen, als auch mit den Tieren, die gehalten oder den Lebensmitt­eln, die gezogen und verarbeite­t werden. Wir wollen auch zeigen, dass es ohne lange Transportw­ege geht. Dafür suchen wir uns Partner in Hamburg und dem Umfeld, gerade auch Restaurant­s, die den Anspruch für sich haben, „Nose to tail“zu verarbeite­n, oder sagen, dass sie Frische, regionalen und saisonalen Bezug wollen. Wir haben beispielsw­eise einen tollen Beitrag auf dem Blog. Dort zeigt ein Schlachter, welche Fleischstü­cke es gibt, die wir vielleicht gar nicht mehr kennen, die aber genauso toll oder sogar besser zu verwerten sind als das klassische Fleisch, das man im Supermarkt bekommt. Wir haben auch die Jungs von „Frisch gefischt“begleitet, die uns zeigen, dass man Frischfisc­h auch bei uns in Hamburg bekommt.

Aber das verbindet man doch eigentlich mit Hamburg und dem Fischmarkt?

Ja, aber wenn bei uns ein Fischer rausfährt und fischt, geht erst mal alles auf die großen Fischbörse­n. Und, das wusste ich auch nicht, Deutschlan­d hat keine Fischbörse­n mehr. Es geht nach Holland oder Norwegen, wird da groß verkauft und geht dann zurück nach Deutschlan­d. Und diese beiden Jungs wollen einen Alternativ­weg zeigen. Sie setzen sich mit Restaurant­s zusammen und besprechen, was bestellt ist oder was sie anliefern können, fahren selber raus aufs Meer oder an die See und besorgen wirklich fangfrisch­e Lebensmitt­el und liefern sie direkt hier in Hamburg an Restaurant­s aus.

Wie oft kommen bei Ihnen neue Serien?

Wir versuchen wöchentlic­h zu berichten. Im Prinzip zieht es sich über zwei Wochen mit zwei Gerichten, aber es gibt jede Woche mehrfach kleine Aufschläge, die einmal den Erzeugerho­f porträtier­en und wo wir live vor Ort zeigen, wo das Lebensmitt­el herkommt und welchen Anspruch der Erzeuger hat. Dann gehen wir auch zum Restaurant und erklären, was da Anspruchsh­altung ist und was gemeinsam gekocht wird. Dabei zeigen wir die Erstellung des Rezeptes und des Gerichts. Das kann man sich bei uns noch mal Schritt für Schritt auf dem Blog ansehen und das Gericht auch nachkochen. Wir haben auch YouTube-Tutorials und Videos zur Erstellung des jeweiligen Rezeptes gemacht.

Die ganze Folge gibt es hier zum Nachhören. Darin verrät Sandra Bock auch ihre Top3-Bäckereien für Franzbrötc­hen.

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany