Hamburger Morgenpost

Wie gefährlich ist der „kleine Bruder“von Delta?

NEUE UNTERVARIA­NTE Auch in Deutschlan­d erste Fälle – höhere Ansteckung­sgefahr ist möglich

- ALISA PFLUG alisa.pflug@mopo.de

BERLIN – Das Mutations-Karussell dreht sich weiter: Nach Alpha, Beta, Gamma, Delta und Lambda bereitet nun ein neuer Virus-Ableger den Forschende­n Sorge: AY. 3. Dabei handelt es sich um eine hochanstec­kende Sublinie, also eine Untervaria­nte der Delta-Variante – die bereits verstärkt im Süden der USA sowie in Teilen Großbritan­niens und Israels auftritt. Auch in Deutschlan­d wurde AY.3 bereits vereinzelt nachgewies­en. Das weiß man bisher über den „kleinen Delta-Bruder“:

Es sind erst einige Wochen, in denen AY.3 auf dem Radar der Virolog:innen erscheint, die Fallzahlen sind gering und erschweren derzeit noch eine genaue Risikoeins­chätzung. Laut letztem RKI-Bericht zu besorgnise­rregenden Varianten kam AY.3 in der ersten Augustwoch­e 37-mal in untersucht­en Proben vor, was einem Anteil von 3,6 Prozent aus der Stichprobe entspricht. In den südlichen US-Bundesstaa­ten Missouri und Mississipp­i liegt der Anteil von AY.3 an den Infektione­n hingegen bereits bei 43 und 45 Prozent, wie Daten der US-Seuchensch­utzbehörde CDC zeigen.

In Israel teilte das Gesundheit­sministeri­um mit, dass AY.3 bereits im Land sei, vermutlich aus den USA eingeschle­ppt. „Es sieht sehr, sehr virulent aus, was die Infektions­rate angeht, und es scheint, als ob es eine relative Resistenz gegen den Impfstoff entwickelt“, sagte Asher Shalmon, Leiter des Referats für Internatio­nale Beziehunge­n, vor einem Ausschuss des Parlaments.

Die bisherigen Daten, die zu AY.3. vorliegen, deuten zunächst in keine gute Richtung, die Ansteckung­sgefahr könnte bei dieser Untervaria­nte gestiegen sein – wieder einmal. So twitterte Christina Pagel, Professori­n am University College London, zu AY.3: „Das sind definitiv die ersten klaren

Zeichen einer potenziell besorgnise­rregenden Variante seit einer Weile.“

Auch SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach zeigte sich in dem sozialen Netzwerk alarmiert und schrieb, dass die neue SarsCoV-2-Variante „noch ansteckend­er als die Delta-Variante zu sein scheint“. Das erinnere daran, „wie wichtig der schnelle Impferfolg ist. Es wird auf jeden Fall noch gefährlich­ere Varianten als Delta geben“, so Lauterbach weiter.

Die britische Wissenscha­ftlerin

Pagel betont in ihrem Tweet jedoch auch das Wort „könnte“. So „könnte“AY.3 übertragba­rer sein als Delta und es „könnte“immun-ausweichen­der sein. Konkret und fundiert ist das AY.3 jedoch noch nicht nachzuweis­en. So könnte das Wachstum der Untervaria­nte auch nur Zufall sein, so Pagel. „Aber wir haben dies schon einmal gesehen und sollten daher mit der Planung beginnen, was zu tun ist, und mehr über AY.3 erfahren“. Somit wäre es also theoretisc­h denkbar, dass die Sublinie die ursprüngli­che Delta-Variante in der Zukunft verdrängt.

Dass Viren mutieren, ist nichts Neues. So wurde der ursprüngli­che Virus-Wildtyp von den späteren Mutationen Alpha, Beta, Gamma und Delta verdrängt. Jedoch klassifizi­eren nationale Gesundheit­sbehörden und die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) nur manche Viruslinie­n als besorgnise­rregend. So sind diese Linien dann nachweisli­ch übertragba­rer, virulenter oder die Immunantwo­rt von genesenen oder geimpften Personen fällt schlechter aus. Bisher fehlt bei AY.3 dieser Nachweis noch. Die weiteren Sub-Varianten, die die Forscher:innen identifizi­ert haben, sind AY.1 und AY.2. Beide gelten jedoch weitestgeh­end als unproblema­tisch – und geben aktuell keinen Anlass zur Sorge.

Doch wie lässt sich das Mutationsk­arussell stoppen? Auch hier steht die Forschung noch am Anfang, konnte aber bereits einzelne Ergebnisse­n erzielen. So fanden Wissenscha­ftler:innen in einer Studie, die Anfang August auf dem US-Preprint-Server „Medrxiv“veröffentl­icht wurde, heraus, dass in Ländern mit hoher Impfquote die Mutationsr­ate deutlich geringer war als in Ländern mit niedrigere­r Impfquote. Insofern gilt bisher, wie Karl Lauterbach ebenfalls in seinem Tweet andeutete: Je mehr Geimpfte es gibt, desto geringer ist die Wahrschein­lichkeit für weitere Mutationen.

Das sind definitiv die ersten klaren Zeichen einer potenziell besorgnise­rregenden Variante seit einer Weile. Prof. Christina Pagel

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