Ein Kapitän versucht einen GefängnisAusbruch
Kevin Costner holte auf der Leinwand gerade einen verunglückten Kajakfahrer aus dem kalten Meer, als der echte Notruf einging. Zum Open Air Kino in Harsefeld hatten wir einen Seenotretter und den Piloten eines Rettungshubschraubers eingeladen, die von ihrer mutigen Arbeit erzählten. Ihre Handys vibrierten: Während wir mit Bier und Pizza den Actionfilm sahen, kämpften vor Baltrum wahre Retter um drei Segler, deren Boot im Sturm gekentert war. Ein junger Mann ertrank in dieser Nacht.
Hollywood traf auf die Realität.
In diesen Tagen gibt es einige Ereignisse, die als Vorlage für Filmstoffe taugen. Die schiefgelaufene Rückkehr der „Gorch Fock“, einst Stolz der Marine und Motiv für ZehnMark-Scheine, als tragische Komödie. Das Verhalten mancher Hamburger Reeder, die ihre Schiffe von Kinderarbeitern in Bangladesch entsorgen lassen, als Schurkenstück. Und dann der Thriller um den Kapitän der Wakashio.
Leser meiner Kolumne erinnern sich: Im August 2020 hatte der indische Kapitän Sunil Kumar Nandeshwar einen knapp 300 Meter langen Massengutfrachter auf ein Riff vor Mauritius gesetzt und eine Ölpest verursacht. Grund der Havarie fernab der geplanten Route: An Bord hatte jemand Geburtstag. Der Kapitän wollte nahe an die Insel heranfahren, damit die Crew Nachrichten per WhatsApp verschicken konnte.
Den Nichtsnutz von der Brücke erwarten nun fünf Jahre Gefängnis und eine Geldstrafe von umgerechnet knapp 600.000 Euro. Eigentlich ein Witz, verglichen mit den Konsequenzen der Umweltkatastrophe für das Inselparadies. Dennoch hatte er mehrfach Kaution beantragt und auf eine Covid19-Erkrankung verwiesen, doch das Gericht lehnte seine Gesuche ab: Der erfahrene Seemann würde, so fürchtete man, sicherlich Mittel finden, von der Insel zu verschwinden.
In der Nacht auf den vergangenen Samstag versuchte der Kapitän, aus dem Gefängnis in Pointeaux-Sables auszubrechen.
Mit einer Gruppe aus Drogenhändlern, einem Mordverdächtigen und mutmaßlichen Vergewaltiger knackte er Gitterstäbe, die durch Salzwasser korrodiert waren. Aus Bettlaken knoteten die Verbrecher ein 15 Meter langes Tau, mit dem sie sich auf den Innenhof abseilten.
Dort kam ihnen allerdings eine Wache mit einem scharfen Hund entgegen. Ende von „Prison Break“, Variante Mauritius.
Der Seemann wartet nun im besser gesicherten Zentralknast der Inselhauptstadt auf das Ende seines Verfahrens. Ob ein paar Jahre zur Strafe hinzukommen? Noch nicht bekannt. Ich wünsche sie ihm.