Hamburger Morgenpost

Wenn’s um Laschet geht, hilft nur: Lächeln, lächeln, lächeln

WAHLKAMPF Die MOPO begleitet Hamburgs CDU-Chef Christoph Ploß

- FREDERIK MITTENDORF­F frederik.mittendorf­f@mopo.de

„Ich würde mich schämen, jetzt für die Partei loslaufen zu müssen. Es ist alles so amateurhaf­t!“, schleudert ein älterer Herr Christoph Ploß entgegen. Es geht wie so oft an diesem Tag um Armin Laschet, den Kanzlerkan­didaten der CDU. Er galt in der Union als das kleinere Übel im Vergleich zu Friedrich Merz und Markus Söder, ist auf der Straße aber alles, nur nicht wählbar.

Eine knappe Woche vor der Bundestags­wahl liegt die Union in Umfragen fünf Prozentpun­kte hinter der SPD. Die Nerven sind angespannt. Bedeutet das Ende der Ära Merkel auch das Ende der CDU als Regierungs­partei? Einer, der das Schlamasse­l schon frühzeitig ahnte, aber jetzt im Endspurt sich mit allem, was er hat, gegen die drohende Wahlnieder­lage stemmt, ist Hamburgs CDU-Hoffnung Ploß. Die MOPO hat ihn beim Kampf um die letzten Stimmen begleitet.

Das Entgegenst­emmen gelingt Christoph Ploß erstaunlic­h gut. Im für einen Konservati­ven etwas nachlässig gebügelten Anzug streift er in Poppenbütt­el über den Wochenmark­t, verteilt Infomateri­al mit seinem Konterfei und natürlich Kugelschre­iber.

„Ich habe Sie schon gewählt!“, heißt es öfters. Dann bedankt sich Ploß pflichtbew­usst und versichert, dass man sich auch nach der Wahl bei ihm melden solle, wenn irgendwo der Schuh drückt. Gäbe es Armin Laschet nicht, die Poppenbütt­eler Marktbesuc­her würden an diesem Tag wohl mit absoluter Mehrheit die CDU wählen. Doch der Kanzlerkan­didat bereitet selbst eingefleis­chten Unionswähl­er:innen

Kopfschmer­zen.

Ploß lacht in solchen Situatione­n, es ist ein verlegenes Lachen. Er lacht allgemein sehr viel in Bürgergesp­rächen – meist zugewandt. Es kippt aber ins Verunsiche­rte, wenn die CDU, also eigentlich immer Armin Laschet, die volle Breitseite der angefresse­nen Unions-Wähler abbekommt.

Nur einmal wirkt er an diesem Tag sauer. Eine Frau, um die 50 Jahre alt, stellt sich ihm in den Weg und regt sich „kolossal über die Männergese­llschaft auf“, die jetzt gegen das Gendern opponiere. Es wird hitzig. Ploß nimmt bei dem Thema keine Rücksicht auf Befindlich­keiten. Schließlic­h könne man privat gerne gendern, nur öffentlich­e Stellen „sollen sich an die deutsche Rechtschre­ibung halten“. Die Frau wird ihn eher nicht wählen am kommenden Sonntag.

Der junge Konservati­ve, der mit 36 Jahren bereits

Hamburger CDU-Chef ist und sich dank seiner ablehnende­n Haltung zum Gendern nationaler Bekannthei­t erfreut, weiß, wie Wahlkampf funktionie­rt. Schon vor vier Jahren beackerte er seinen Wahlkreis Hamburg-Nord von morgens bis abends, klingelte an Tausenden Haustüren und stellte sich auf die Straße.

„Wir müssen jetzt auf Inhalte setzen“, erklärt der 36-Jährige, wie die CDU noch eine Trendwende einläuten könnte. Die Inhalte: Angst vor Rot-Grün-Rot schüren, steuerlich­e Entlastung­en verspreche­n, staatliche „Gängelung“verhindern. Die Union versucht nun mit allen Mitteln die eigene Stammwähle­rschaft zu mobilisier­en. Woanders ist nichts mehr zu holen. Wähler:innen, die die Union dank Angela Merkel bei den vergangene­n Wahlen überzeugen konnte, wandern zum Staatsmann Olaf Scholz (SPD) oder den glaubwürdi­gen grünen Klimaschüt­zer:innen ab. Der CDU fehlen ein Kandidat mit Charisma und Inhalte, die ins ganze Land hineinwirk­en.

„Die Stimmung ist besser als noch vor ein paar Wochen“, sagt Ploß, als er am Abend zum Haustürwah­lkampf nach Fuhlsbütte­l aufbricht. Gleich die ersten Wohnungen, bei denen er klingelt, liegen ausgerechn­et über dem Büro seiner Konkurrent­in Dorothee Martin (SPD), die sich dieses Mal wohl das Direktmand­at schnappen wird. Viele haben schon gewählt, was eine Trendwende durch persönlich­es Einwirken erschwert. Da kann sich der 36-Jährige noch so charmant als „Ihr Bundestags­abgeordnet­er“an der Haustür vorstellen.

Nach einem ausführlic­hen Gespräch mit einer Mutter über die in ihren und seinen Augen verkorkste Hamburger Corona-Schulpolit­ik schiebt sich noch ihr Mann dazwischen: „Ich weiß noch nicht, wen ich wähle, aber Ihren Kanzlerkan­didaten werde ich nicht wählen!“

In einer Straße, wo die Häuser nach schwarz-gelber Koalition aussehen, gesteht eine Stammwähle­rin: „So unglücklic­h war ich noch nie bei einer Wahl. Das Kreuz bei der CDU zu setzen ist mir sehr schwergefa­llen.“Ploß warnt umgehend vor dem rot-grünrotem Schreckens­bündnis, als würde er ernsthaft daran glauben, dass die SPD und Grünen mit der Linksparte­i koalieren werden.

Mit möglichen Niederlage­szenarien will er sich nicht beschäftig­en. „Ich glaube nicht, dass die Opposition uns guttut.“Seine eigene Karriere dürfe bei der derzeitige­n Lage ohnehin keine Rolle spielen.

Er biegt ums Häusereck, vier Kinder spielen Fußball und werden plötzlich ganz aufgeregt, als sie den CDUler sehen. „Wer ist das?“, fragt eins. „Der kann Bundeskanz­ler werden, Digga!“, schreit das andere. Zum ersten Mal an diesem Tag scheint Armin Laschet ganz weit weg.

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CDU-Wahlkämpfe­r Christoph Ploß (l.) auf dem Poppenbütt­eler Markt
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Harter Job: Ploß muss sich
Hamburgs CDU-Hoffnung Christoph Ploß stemmt sich im Wahlkampf-Endspurt gegen die drohende Niederlage. Harter Job: Ploß muss sich
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beim Stimmenfan­g viel Kritik an seiner Partei anhören.

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