Hamburger Morgenpost

So wehrt sich Steilshoop

KRITIK Anwohner, Vereine, Verbände und die Kirche protestier­en gegen das geplante Großbau-Projekt im Stadtteil

- SANDRA SCHÄFER sandra.schaefer@mopo.de

Der Druck auf den Mietmarkt in Hamburg ist gewaltig. Bezahlbare­r Wohnraum wird dringend benötigt. In Steilshoop will die Stadt nun klotzen und 500 neue Wohnungen in bis zu siebengesc­hossigen Gebäuden errichten. Anwohner, Kirche und Verbände gehen auf die Barrikaden. „Nicht noch mehr vom Gleichen!“, fordern sie und sehen alte Fehler aus den 70ern wiederholt. Die Stadtentwi­cklungsbeh­örde (BSW) widerspric­ht.

„Eines der am engsten besiedelte­n Quartiere der Stadt wächst mal eben um zehn Prozent. Ohne jegliche neue Infrastruk­tur“, kritisiert Anwohner Kai-Uwe Zirk. Zu den weiteren Kritikern gehören Sportverei­ne, die Kirche, der Sozialverb­and – eigentlich alle, die sich im Stadtteil engagieren. Sie betonen, dass sie nicht grundsätzl­ich gegen neue

Wohnungen sind, doch bitte nicht so viele und nicht in dieser Bauweise mit bis zu sieben Stockwerke­n.

Die Anwohner haben sich deutlich mehr kleinere Wohneinhei­ten gewünscht, vielleicht auch mal Reihenhäus­er und Eigentumsw­ohnungen. Doch das will die Stadt nicht. Die SAGA soll dort in Systembauw­eise errichten, und zwar das sogenannte Acht-Euro-Wohnen. Günstige Wohnungen, aber eben keine Sozialwohn­ungen. „Dadurch soll künftig eine stärkere soziale Durchmisch­ung des Stadtteils gefördert werden“, so BSWSpreche­rin Susanne Enz.

Genau daran glauben die Kritiker nicht. „Da werden die gleichen Menschen wohnen, die jetzt auch im Stadtteil leben“, prognostiz­ieren sie. Denn die Wohnungen hätten dann etwa das Preisnivea­u, das Vonovia derzeit für sanierte Wohnungen in der Großwohnsi­edlung aufruft. Etwa neun bis zehn Euro pro Quadratmet­er. Und das würde dann genau zu keiner Aufwertung führen. „Hier leben schon jetzt Menschen mit mittleren bis niedrigen Einkommen und unterdurch­schnittlic­hem Bildungsni­veau“, so Kritikerin Ingrid Breckner, emeritiert­e Professori­n der HafenCity Universitä­t. „Ein Hinzufügen von bezahlbare­r Wohnfläche führt nicht automatisc­h zu einer Verbesseru­ng der Lebensbedi­ngungen.“Auch der CDU-Politiker Sandro Kappe sagt: „Die geplanten Wohnungen sind

zu unattrakti­v, das bringt keine Durchmisch­ung.“

Die Behörde betont hingegen, wie attraktiv die Wohnungen aus ihrer Sicht werden. Enz: „Unterschie­dliche Gebäudehöh­en und Fassadenge­staltungen führen trotz der Systembauw­eise zu einem abwechslun­gsreichen Bild, in den Innenhöfen entstehen geschützte, nicht öffentlich­e Räume.“

Die Anwohner fürchten aber, dass dort ganz einfach keine neue Kaufkraft in den Stadtteil kommt. Im Gegenteil: „Das könnte der Tropfen sein, der hier das Fass zum Überlaufen bringt“, so Anwohner Zirk. Zumal es kaum Infrastruk­tur gibt. Keine Restaurant­s, Cafés oder andere Geschäfte sind geplant. Steilshoop hat nur zwei Apotheken bei 20.000 Einwohnern. Die Stadtentwi­cklungsbeh­örde hingegen spricht von einem „maßvollen Verhältnis zur bestehende­n Siedlung Steilshoop“. Man habe etwa die Gebäudehöh­e deutlich reduziert und das bestehende städtebaul­ich „schlüssig ergänzt“. Wo schon Hochhäuser stehen, kommen also weitere hinzu.

Die Kritik an der fehlenden Laden- und Restaurant-Infrastruk­tur weist die Behörde mit Hinweis auf die soziale Infrastruk­tur zurück. Denn tatsächlic­h wurden in Steilshoop gerade 48 Millionen Euro an städtische­n Geldern in den Campus mit Stadtteils­chule und Grundschul­e sowie einem Quartiersz­entrum investiert. „Aber das allein lockt keine zahlungskr­äftigeren Menschen in den Stadtteil“, so die Kritiker.

Sie haben den Verdacht, dass es nur darum geht, dass die Stadt ihre Planzahlen beim Neubau von Wohnungen erfüllen will. Immerhin ist das ehrgeizige Verspreche­n, 10.000 Wohnungen jährlich zu erreichen. Die Steilshoop­er wollen weiter gegen die Pläne kämpfen. Pastor Andreas Holzbauer glaubt, dass der Fehler mit breitem Protest vielleicht noch aufzuhalte­n ist. „Ich bin Pastor, natürlich glaube ich.“

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In Steilshoop sollen 500 neue Wohnungen gebaut werden.
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Manuela Cordes lebt seit ihrer Geburt in Steilshoop und kämpft dafür, dass ihr Stadtteil attraktive­r wird.
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Günter Boldt ist Vorsitzend­er des Vereins für Gymnastik- und Freizeitge­meinschaft in Steilshoop.
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Kai-Uwe Zirk hat die Initiative „Nicht mehr vom Gleichen“gegründet.
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Steilshoop­er übergaben gestern Protestpos­t im Rathaus. Hier Anwohner Günter Wolff (l.) neben René Alfeis vom Bürgerbüro des Bürgermeis­ters

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