Corona befeuert Spiel- und Mediensucht bei Kindern
DADDELEI Die Folgen sind gravierend – Experten schlagen Alarm
BERLIN – Immer mehr Kinder und Jugendliche leiden unter Medien- und Spielsucht – und die Corona-Pandemie hat diese Entwicklung einer Studie zufolge sogar noch befeuert. Das Deutsche Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters kommt in einer Untersuchung im Auftrag der Krankenkasse DAK zu dem Schluss, dass bei mehr als vier Prozent der 10- bis 17-Jährigen in Deutschland ein „pathologisches Nutzungsverhalten“vorliegt.
Experten sprechen davon, wenn bei Betroffenen über einen Zeitraum von mindestens zwölf Monaten ein Kontrollverlust und eine Fortsetzung der Nutzung trotz negativer Konsequenzen zu beobachten sind.
Die Folge: Andere Lebensbereiche werden vernachlässigt. Pathologische Spieler und Social-MediaNutzer zocken oder chatten der Studie zufolge täglich vier oder mehr Stunden.
Im Bereich Computerspiele hat sich die Zahl der Betroffenen mit Suchtverhalten von rund 144.000 im Jahr 2019 auf 219.000 in diesem Jahr erhöht, bei der Nutzung von SocialMedia-Plattformen wie TikTok, Snapchat, WhatsApp oder Instagram von 171.000 auf 246.000.
Studienleiter Rainer Thomasius, Kinder- und Jugendpsychiater am UKE, warnt vor den Folgen durch die Vernachlässigung von Familie und Freunden und vor einem verschobenen Tag-Nacht-Rhythmus.
Dadurch würden alterstypische Entwicklungsaufgaben nicht mehr angemessen gelöst – die psychosoziale Reife komme zum Stillstand.
Grundlage der Untersuchung ist eine wiederholte Befragung von Eltern und Kindern durch das Meinungsforschungsinstitut Forsa. Die Kinder und Jugendlichen wurden zur Dauer, ihren Motiven und möglichen negativen Auswirkungen befragt.
Schon in den ersten Befragungen zeichnete sich ein Trend ab: Vor Corona verbrachten die Kinder und Jugendlichen an Wochentagen knapp zwei Stunden auf Instagram, TikTok und Co. Während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 erhöhte sich das auf mehr als drei Stunden täglich. Im November, als Schulen zwar größtenteils offen, die Freizeitangebote aber weiterhin stark eingeschränkt waren, sank die Nutzung wieder leicht.
Sie lag aber weiterhin deutlich über dem Niveau von 2019.
Eine ähnliche Entwicklung zeigte sich bei Spielen: Vor Corona waren die Befragten an Wochentagen durchschnittlich eine Stunde und 23 Minuten lang mit Computer- oder OnlineSpielen beschäftigt, im April 2020 erhöhte sich die Nutzung stark auf zwei Stunden und zwölf Minuten am Tag. Danach gab es wieder einen leichten Rückgang.
Die Nutzungszeiten lägen immer noch „deutlich über dem Vorkrisenniveau“, so Thomasius. Im kommenden Jahr soll es eine weitere Befragung geben. Sie könnte zeigen, ob Corona dauerhafte Spuren im Nutzungsverhalten hinterlassen hat.