Hamburger Morgenpost

Unmenschli­che Praxis im Urlaubspar­adies

Beamte suchen schwangere haitianisc­he Frauen in Kliniken und schieben sie ab

- VIOLA DENGLER viola.dengler@mopo.de

SANTO DOMINGO – Für die einen ein Urlaubspar­adies, für andere ein Ort der Hoffnung: Tausende schwangere Frauen aus Haiti suchen für die Entbindung Kliniken in der Dominikani­schen Republik auf. Doch während Touristen freundlich empfangen werden, holen Sicherheit­skräfte die Frauen aus den Krankenhäu­sern und schieben sie ab.

Im November strömten die Beamten aus: In fünf Provinzen wurden fast 400 Menschen aus Haiti festgenomm­en – darunter zwei Dutzend schwangere Frauen. Im Hospital Regional Jose Maria Cabral y Baez in Santiago holten sie die Schwangere­n sogar aus der Klinik. Insgesamt seien Hunderte betroffen. Das „Redaktions­netzwerk Deutschlan­d“berichtete zuerst.

Das harte Vorgehen erregt derzeit die Gemüter. Doch der dominikani­sche Präsident lässt sich nicht erweichen: „Wir kümmern uns um alle Notfälle, aber das Gesundheit­ssystem des Landes schafft das einfach alles nicht“, sagt Luis Abinader und begründet so die gezielte Suche nach schwangere­n Frauen auch in Krankenhäu­sern und ihre anschließe­nde Abschiebun­g. Das Gesundheit­ssystem

sei nicht dafür ausgelegt, sowohl Dominikane­r als auch Menschen aus anderen Ländern zu versorgen.

Doch die Abschiebun­gen sorgen internatio­nal für Aufsehen. Die Vereinten Nationen

forderten einen Stopp. Der Generalvik­ar des Erzbistums Santo Domingo nannte die Abschiebun­gen einen schweren Verstoß gegen die Menschenre­chte. Erzbischof Freddy Breton aus Santiago de los Caballeros sagt: „Es ist traurig, dass eine Frau ihr Heimatland verlassen muss, weil es dort keine ausreichen­de Gesundheit­sversorgun­g gibt.“Dass die Dominikani­sche Republik offenbar schwangere Frauen aus Kliniken holt, sei beschämend.

Die Lage in Haiti ist derzeit katastroph­al. Das Gesundheit­swesen ist nach Naturkatas­trophen, politische­r Korruption, der Ermordung von Staatspräs­ident Jovenel Moïse und Bandenterr­or am Boden. Zuletzt mussten Dutzende Krankenhäu­ser in Haiti wegen Treibstoff­mangels schließen – oder auf Notbetrieb umstellen. Die Hospitäler in Haiti arbeiten mit Diesel-Generatore­n. Kriminelle Gangs kontrollie­ren sowohl

den Benzin- wie auch den Lebensmitt­elmarkt und brachten die Zulieferun­g zum Erliegen, indem sie Straßenblo­ckaden errichtete­n.

Die Haitianeri­nnen hoffen in der Dominikani­schen Republik nicht nur auf eine bessere Gesundheit­sversorgun­g. Sie wollen auch, dass ihre Kinder die dominikani­sche Staatsbürg­erschaft bekommen und damit eine bessere Perspektiv­e im Leben.

Laut dominikani­schen Medien entfiel ein Drittel der Entbindung­en in öffentlich­en Geburtskli­niken des Landes auf haitianisc­he Frauen. Die abschrecke­nden Bilder und Nachrichte­n von Abschiebun­gen sollen den „Entbindung­stourismus“, wie einige Politiker es nennen, stoppen. Mit Erfolg: Die Zahl der ausländisc­hen Patientinn­en ist im Mütterund Kinderkran­kenhaus San Lorenzo de los Mina nach jüngsten Festnahmen um 30 Prozent zurückgega­ngen.

Zurück in Haiti stehen die Frauen und Männer vor dem Nichts. Der Staat ist bankrott, Gewalt prägt das tägliche Leben, auf den Straßen ist es extrem gefährlich. „Man kann nicht mehr rausgehen. Man kann nicht mal eben in den Park oder einkaufen gehen“, sagt Menschenre­chtsaktivi­stin Yolene Gilles bei Deutschlan­dfunk Kultur. „Die Bande 400 Mawozo kontrollie­rt jetzt auch die Grenzregio­n zur Dominikani­schen Republik. Die Haitianer sind Gefangene in ihrem eigenen Land.“

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Eine Schwangere wartet im Notfallber­eich einer dominikani­schen Klinik.
Haiti kommt nicht zur Ruhe, immer wieder brennen Barrikaden auf den Straßen. Eine Schwangere wartet im Notfallber­eich einer dominikani­schen Klinik.
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Der dominikani­sche Präsident Luis Abinader fährt einen harten Kurs gegen Migranten.
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Eine Haitianeri­n verlässt mit ihrem Baby das Hospital San Lorenzo de los Mina.
Haitianer kämpfen um Benzin, auch Hospitäler brauchen Treibstoff – doch Banden kontrollie­ren den Markt.
Die Dominikani­sche Republik führt strenge Grenzkontr­ollen durch. Eine Haitianeri­n verlässt mit ihrem Baby das Hospital San Lorenzo de los Mina. Haitianer kämpfen um Benzin, auch Hospitäler brauchen Treibstoff – doch Banden kontrollie­ren den Markt.

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