Hamburger Morgenpost

Zahlen sinken: Was steckt dahinter?

VIERTE WELLE Experten dämpfen Hoffnung: „Infektions­geschehen ist sehr diffus“

- MARINA HÖFKER marina.hoefker@mopo.de

BERLIN – Es ist vielleicht ein kleiner Hoffnungss­chimmer: Erstmals seit Wochen hat es gestern keinen weiteren Anstieg bei den Corona-Neuinfekti­onen gegeben. Ist das Schlimmste der vierten Welle nun etwa überstande­n? Experten warnen: Auf keinen Fall!

Die Kurve geht endlich wieder nach unten: Gestern Morgen meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) eine bundesweit­e SiebenTage-Inzidenz von 452,2 – ein erkennbare­r Rückgang zu Montag (473,6). Auch der R-Wert, der angibt, wie viele Menschen ein Infizierte­r durchschni­ttlich ansteckt, liegt nun wieder unter 1. Der Virologe Hendrik Streeck bezeichnet­e das als „sehr gutes Zeichen“. Es gebe vorsichtig­e Hoffnung, dass die Infektions­zahlen nicht weiter stiegen, sondern eine Art Plateau erreicht würde, sagte er der Mediengrup­pe RTL.

Auch wenn das erst mal vermeintli­ch gute Nachrichte­n sind: Das Schlimmste haben wir noch nicht überstande­n. Und die Zahlen könnten ohnehin trügerisch sein: Es häufen sich Berichte über Gesundheit­sämter, die überlastet sind und die Neuinfekti­onen kaum mehr in Gänze erfassen können. Das könnte zu Verzerrung­en der Statistike­n führen. Und um zu beurteilen, wie gut Deutschlan­d die vierte Welle im Griff hat, wird schon längst nicht mehr nur die Inzidenz herangezog­en.

Doch die zusätzlich betrachtet­e Hospitalis­ierungsrat­e ist umstritten, denn ihre Datengrund­lage ist lückenhaft und es gibt einen starken zeitlichen Meldeverzu­g. Im Vergleich zum vergangene­n Freitag sank der Wert zwar laut RKI von 8,19 auf gestern 5,73. Der Epidemiolo­ge Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut erklärte aber im Deutschlan­dfunk, dass Corona-Diagnosen manchmal auch erst nach der Aufnahme eines Patienten gestellt würden. Daher könne die Zahl nicht „wirklich scharf“darstellen, was passiert.

Auch der Vorstandsv­orsitzende der Deutschen Krankenhau­sgesellsch­aft, Gerald Gaß, warnte im Deutschlan­dfunk: Patienten, die sich in den vergangene­n zehn Tagen mit Corona angesteckt haben und eine Behandlung brauchen, kämen erst noch in die Krankenhäu­ser. „Das heißt: Egal, was wir jetzt machen an Lockdown – in den nächsten zehn, zwölf Tagen werden weitere Tausende

von Patienten in die Krankenhäu­ser kommen und auch auf die Intensivst­ationen.“

Auch bis die Anzahl der Todesfälle zurückgeht, können aufgrund der Zeit zwischen Infektion und statistisc­h erfasstem Tod noch Tage oder gar Wochen verstreich­en. Deutschlan­dweit wurden nach den neuen Angaben binnen 24 Stunden 388 Todesfälle verzeichne­t, vor einer Woche waren es 309.

In Bayern, wo die Infektions­zahlen deutlich höher als im Bundesdurc­hschnitt liegen, sind die Corona-Werte bereits seit einigen Tagen rückläufig. Der Münchener Infektiolo­ge Christoph Spinner sieht die Entwicklun­g als möglichen Erfolg der jüngsten Maßnahmen in dem Bundesland. Neben 3G-, 2G- sowie 2G-plusRegelu­ngen verwies er auf Schließung­en von Bars und Clubs, Sperrstund­en sowie steigende Impf- und Booster-Raten. Er mahnte aber weiterhin zur Vorsicht: „Das Infektions­geschehen ist sehr dynamisch und diffus.“

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Ob in Innenräume­n oder auf Weihnachts­märkten: Überall gelten Corona-Schutzmaßn­ahmen. Inwiefern sich das auf die Inzidenzwe­rte auswirkt, ist aber noch unklar.
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