Hamburger Morgenpost

Der ganz alltäglich­e Sexismus

Fußball-Fan grapscht Moderatori­n im Live-TV an den Hintern

- Von MIRIAM KHAN

EMPOLI – Ein Fußball-Fan hat einer italienisc­hen TV-Moderatori­n auf den Hintern geschlagen – während einer Live-Schalte. Der Vorfall sorgt für Empörung – und eine Debatte über den ganz alltäglich­en Sexismus, dem Frauen ausgesetzt sind.

Derby-Time in Norditalie­n: Der FC Empoli empfängt den AC Florenz, der Sender Toscana TV hat eine Reporterin zum Stadion geschickt. Greta Beccaglia ist eine erfahrene Sportjourn­alistin, moderiert eine Fußball-Talkshow. Sie hat gerade mit ihrem Bericht begonnen, da passiert es: Ein Fan nähert sich ihr, spuckt in seine Hand – oder tut so – und grapscht der Moderatori­n an den Hintern. Sichtlich geschockt ruft Beccaglia ihm hinterher: „Entschuldi­ge mal, das kannst du nicht machen!“Übel: Es bleibt nicht bei diesem Vorfall. „Da war eine reg elrechte Meute“, schildert Beccaglia der Nachrichte­nagentur Ansa. Als andere Fans den Übergriff gesehen hätten, seien auch bei ihnen die Hemmungen gefallen. Minutenlan­g sei sie obszön angepöbelt und weiter begrapscht worden. „Ich hatte wirklich Angst vor diesen Männern.“

Die widerliche Aktion wird von Überwachun­gskameras aufgenomme­n, der übergriffi­ge Fan kann identifizi­ert werden. Im Interview mit Radio24 sagt er später, es tue ihm leid, er habe einen Fehler begangen. Er sei eben frustriert gewesen, weil sein Verein AC Florenz das Derby verloren habe. Die Aktion sei aber „absolut kein sexistisch­er Akt“, sondern als „Scherz“gedacht gewesen.

„Eine so schlimme Belästigun­g als Scherz darzustell­en, bedeutet, dass er nicht verstanden hat, was hier passiert ist“, empört sich Beccaglia gegenüber Ansa. „Das ist ein unmögliche­r Kommentar und macht alles noch schlimmer.“Sie hat den Mann angezeigt.

Besonders bitter: Der Vorfall findet just an dem Wochenende statt, als auf italienisc­hen Fußballplä­tzen und in sozialen Medien Spieler, Trainer und Schiedsric­hter mit roter Farbe im Gesicht auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam machen. „Leider erleiden Frauen immer wieder solche Übergriffe und werden nicht von Kameras aufgezeich­net“, sagt Beccaglia. Die Täter „anprangern ist wichtig, und ich hoffe, dass andere es auch tun, wenn sie mich sehen.“

Dass sexuelle Belästigun­g (nicht nur) in Italien weit verbreitet ist und oft bagatellis­iert wird, zeigt die Reaktion von Beccaglias Co-Moderator im Studio. „Nicht böse sein“, ruft er ihr zu. Er habe Beccaglia damit unterstütz­en wollen, damit diese sich nicht auf die Provokatio­n einlasse und noch Schlimmere­s passiere, sagt er später zur Nachrichte­nagentur Adnkronos. „Ich wollte den Vorfall nicht bagatellis­ieren.“Laut Toscana TV soll er vorerst nicht mehr eingesetzt werden.

Deutlicher­e Worte findet ExMinister­präsident Giuseppe Conte. Das sei eine „unwürdige Geste, ein Angriff auf die Freiheiten aller Frauen“gewesen, schreibt er auf Twitter. „Wir können nicht antworten mit ,Nicht böse sein‘. (...) Wir müssen alle böse sein.“

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Greta Beccaglia hofft, dass sie für andere Frauen zum Vorbild werden kann. Sie hat alle Übergriffe zur Anzeige gebracht.
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Die widerliche Szene wurde von mehreren Kameras festgehalt­en.

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