Der ganz alltägliche Sexismus
Fußball-Fan grapscht Moderatorin im Live-TV an den Hintern
EMPOLI – Ein Fußball-Fan hat einer italienischen TV-Moderatorin auf den Hintern geschlagen – während einer Live-Schalte. Der Vorfall sorgt für Empörung – und eine Debatte über den ganz alltäglichen Sexismus, dem Frauen ausgesetzt sind.
Derby-Time in Norditalien: Der FC Empoli empfängt den AC Florenz, der Sender Toscana TV hat eine Reporterin zum Stadion geschickt. Greta Beccaglia ist eine erfahrene Sportjournalistin, moderiert eine Fußball-Talkshow. Sie hat gerade mit ihrem Bericht begonnen, da passiert es: Ein Fan nähert sich ihr, spuckt in seine Hand – oder tut so – und grapscht der Moderatorin an den Hintern. Sichtlich geschockt ruft Beccaglia ihm hinterher: „Entschuldige mal, das kannst du nicht machen!“Übel: Es bleibt nicht bei diesem Vorfall. „Da war eine reg elrechte Meute“, schildert Beccaglia der Nachrichtenagentur Ansa. Als andere Fans den Übergriff gesehen hätten, seien auch bei ihnen die Hemmungen gefallen. Minutenlang sei sie obszön angepöbelt und weiter begrapscht worden. „Ich hatte wirklich Angst vor diesen Männern.“
Die widerliche Aktion wird von Überwachungskameras aufgenommen, der übergriffige Fan kann identifiziert werden. Im Interview mit Radio24 sagt er später, es tue ihm leid, er habe einen Fehler begangen. Er sei eben frustriert gewesen, weil sein Verein AC Florenz das Derby verloren habe. Die Aktion sei aber „absolut kein sexistischer Akt“, sondern als „Scherz“gedacht gewesen.
„Eine so schlimme Belästigung als Scherz darzustellen, bedeutet, dass er nicht verstanden hat, was hier passiert ist“, empört sich Beccaglia gegenüber Ansa. „Das ist ein unmöglicher Kommentar und macht alles noch schlimmer.“Sie hat den Mann angezeigt.
Besonders bitter: Der Vorfall findet just an dem Wochenende statt, als auf italienischen Fußballplätzen und in sozialen Medien Spieler, Trainer und Schiedsrichter mit roter Farbe im Gesicht auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam machen. „Leider erleiden Frauen immer wieder solche Übergriffe und werden nicht von Kameras aufgezeichnet“, sagt Beccaglia. Die Täter „anprangern ist wichtig, und ich hoffe, dass andere es auch tun, wenn sie mich sehen.“
Dass sexuelle Belästigung (nicht nur) in Italien weit verbreitet ist und oft bagatellisiert wird, zeigt die Reaktion von Beccaglias Co-Moderator im Studio. „Nicht böse sein“, ruft er ihr zu. Er habe Beccaglia damit unterstützen wollen, damit diese sich nicht auf die Provokation einlasse und noch Schlimmeres passiere, sagt er später zur Nachrichtenagentur Adnkronos. „Ich wollte den Vorfall nicht bagatellisieren.“Laut Toscana TV soll er vorerst nicht mehr eingesetzt werden.
Deutlichere Worte findet ExMinisterpräsident Giuseppe Conte. Das sei eine „unwürdige Geste, ein Angriff auf die Freiheiten aller Frauen“gewesen, schreibt er auf Twitter. „Wir können nicht antworten mit ,Nicht böse sein‘. (...) Wir müssen alle böse sein.“