Hamburger Morgenpost

Wie Südafrika Omikron entdeckte und dafür bestraft wurde

Neue Virus-Variante soll Ursprung in Europa haben. Einreiseve­rbot das falsche Signal?

- MARINA HÖFKER marina.hoefker@mopo.de

– Südafrika ist es zu verdanken, dass die Welt von Omikron weiß. Die dortigen Labore entdeckten die Mutation, die Regierung machte den Fund öffentlich. Die Reaktion: Viele Staaten straften Südafrika und weitere Länder mit Reisebesch­ränkungen und Abschottun­g. Jetzt kommt raus: Dass Omikron seinen Ursprung in Südafrika hatte, wird immer unwahrsche­inlicher.

Am Flughafen der südafrikan­ischen Metropole Johannesbu­rg herrscht derzeit gähnende Leere: Check-in-Schalter sind geschlosse­n, Sicherheit­skontrolle­n unbesetzt, Abflug-Gates verwaist. Nach der Entdeckung von Omikron haben viele Länder Reisebesch­ränkungen von und nach Südafrika verhängt, um eine weitere Ausbreitun­g der Virusvaria­nte zu verhindern.

Staatspräs­ident Cyril Ramaphosa ist wütend. „Diese Beschränku­ngen sind eine unfaire Diskrimini­erung unseres Landes und unserer Schwesters­taaten“, polterte er jüngst. Es gebe keine wissenscha­ftliche Grundlage für Reisebesch­ränkungen. „Sie werden nur weiter den Ökonomien der betroffene­n Länder schaden und ihre Fähigkeit unterwande­rn, auf die Pandemie zu reagieren und sich von ihr zu erholen.“Schon jetzt wird der wirtschaft­liche Schaden durch wegbrechen­den Tourismus auf bis zu 100 Millionen Euro geschätzt.

Dabei ging Südafrika extrem transparen­t mit seiner Entdeckung um: Unmittelba­r nachdem Forscher bei der Sequenzier­ung aktueller Proben auf die Mutation gestoßen waren, warnte das Land andere. Südafrika ist aufgrund seiner Erfahrunge­n etwa mit dem HI-Virus im Bereich Labor-Analyse exzellent ausgestatt­et, kaum ein anderes Land sequenzier­t in der Corona-Pandemie derart umfangreic­h.

Nur weil Omikron in Südafrika entdeckt wurde, bedeutet das aber nicht, dass die Mutation auch dort entstand. Im Gegenteil: Die Hinweise

darauf, dass die Variante mit der wissenscha­ftlichen Bezeichnun­g B.1.1.529 schon vor der Entdeckung am 24. November in Europa zirkuliert­e, verdichten sich.

Am Dienstag gaben niederländ­ische Gesundheit­sbehörden bekannt, dass OmikronFäl­le gefunden wurden, die bereits bis zu elf Tage zurücklieg­en – und damit älter als die in Südafrika identifizi­erten Fälle sind. Demnach konnte die neue Variante in Proben vom 19. und 23. November nachgewies­en werden. Ob sich die Infizierte­n zuvor im südlichen Afrika aufgehalte­n haben, ist noch nicht geklärt. Auch in Deutschlan­d und Belgien deuten Proben darauf hin, dass Omikron schon vor dem

Tag der südafrikan­ischen Entdeckung in Europa wütete. In Schottland gehen neun bestätigte Fälle auf einen Ausbruch auf einer Privatfeie­r am 20. November zurück.

Experten weltweit gehen davon aus, dass das Vorkommen der Variante über die bisherigen Nachweise hinausgeht. Der Zeitraum, in dem Reisende Omikron bereits internatio­nal verbreitet­en, betrage sicher Wochen, sagt Oliver Keppler vom Max-von-Pettenkofe­r-Institut in München.

War es also richtig, Südafrika und andere Länder mit Reisestopp­s zu belegen? Zunächst scheint die Maßnahme nachvollzi­ehbar. Doch Südafrika-Forscherin Melanie Müller hält den Umgang

mit dem Land – vor allem im Hinblick auf weitere mögliche Mutationen – für gefährlich. „Es birgt das Risiko, dass Staaten, die ähnliche Coronaviru­s-Varianten entdecken, sich in Zukunft vielleicht dazu entscheide­n, ihre Informatio­nen erst mal zurückzuha­lten“, sagt sie im „Spiegel“Interview.

Der Grund: „Sie denken, dass sie, wenn sie zu früh damit herausgehe­n, ebenfalls ökonomisch­e Nachteile erleiden könnten. Für die Pandemiebe­kämpfung wäre das fatal“, warnt Müller. Sinnvoller sei es, Anreize für andere Staaten zu schaffen, damit sie sich künftig ein Beispiel an Südafrika nehmen.

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Südafrikan­ische Zeitungen verkündete­n: „Neue Covid-Variante hier“– dass sie aber tatsächlic­h aus dem Land stammt, wird immer unwahrsche­inlicher.
Ein Corona-Patient wird in der südafrikan­ischen Hauptstadt Pretoria behandelt. Südafrikan­ische Zeitungen verkündete­n: „Neue Covid-Variante hier“– dass sie aber tatsächlic­h aus dem Land stammt, wird immer unwahrsche­inlicher.
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Passagiere versuchen Südafrika über den Flughafen in Johannesbu­rg zu verlassen.
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Südafrikas Staatspräs­identen Cyril Ramaphosa machen die Beschränku­ngen wütend.

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