Hamburger Morgenpost

EU-VERORDNUNG Ab 2022 dürfen viele Tattoo-Tinten nicht mehr verwendet werden – für die Studios ein Problem

- SAMIRA DEBBELER samira.debbeler@mopo.de

Blonde Haare, Seitensche­itel, Brille – das ist Bernd Muss (48). Seit 28 Jahren ist er Tätowierer, seit zwei Jahren besitzt er das kleine Studio „Tattoo Freestyle“an der Wexstraße in der Neustadt. Nun treiben die neuen EURegulari­en dem Inhaber Schweißper­len auf die Stirn. Ab dem 4. Januar 2022 dürfen viele Tattoo-Farben nicht mehr verwendet werden. Das ist ein Problem.

Die Farben, die derzeit in den meisten Tattoo-Studios verwendet werden, sind laut Echa (European Chemical Agency) gesundheit­sschädigen­d. Zwei Pigmente für die Farben Blau und Grün können Allergien und Krebs auslösen, so die Begründung. Alternativ­e Hersteller, die ohne synthetisc­he Stoffe produziere­n, sollen die Lösung sein. Sie werden von einer Verordnung der Europäisch­en Union, die sogenannte ReachVeror­dnung, registrier­t, bewertet und dann zugelassen. Man spricht dann von reachkonfo­rmen Farben – und die gibt es bereits.

„Hersteller:innen kommen aber mit der Produktion nicht hinterher, weil die gerade einfach überrannt werden“, sagt Bernd Muss. Ab nächstem Jahr könnten dann viele Tätowierer:innen ohne Farben dastehen. „Die ganze Branche wird rücksichts­los zerhackt“, so Bernd Muss zur MOPO. „Ein Übergang von ein bis zwei Jahren wäre gut gewesen.“Vor rund fünf Monaten habe die Branche davon erfahren, dass bald Schluss sei mit den Farben, Reste dürfe dann auch nicht aufgebrauc­ht werden. „Wir konnten uns überhaupt nicht vorbereite­n. Es wurde einfach schlecht bis gar nicht kommunizie­rt. Es gibt nicht mal ausreichen­d Studien, die belegen, dass die Farben wirklich so gesundheit­sschädigen­d sind“, sagt er.

Auch das Bundesinst­itut für Risikobewe­rtung (BfR) hält die EU-Verbote offenbar nicht für angemessen. In einer Stellungna­hme vom 8. September 2020 heißt es, dass „aufgrund der mangelhaft­en Datenlage“keine abschließe­nde Risikobewe­rtung für die Verwendung der beiden Pigmente in Tätowiermi­tteln durchgefüh­rt werden könne. Und weiter: „Aus Sicht des BfR ist bei der Bewertung der beiden Pigmente auch zu berücksich­tigen, dass beide Pigmente seit mehr als zehn Jahren in Tätowiermi­tteln eingesetzt werden, ohne dass Auffälligm­it

Farben. An einer Wand im Eingangsbe­reich hängen Zeichnunge­n und Malereien von ihm – echte Kunstwerke. Eigentlich wollte er vor rund 30 Jahren Kunst studieren, die Uni lehnte ihn jedoch ab. Er entdeckte schließlic­h seine Leidenscha­ft für gestochene Körperkuns­t. Seit zwei Jahren besitzt er sein eigenes Tattoo-Studio.

Die ganze Branche wird zerhackt. Ein Übergang von ein bis zwei Jahren wäre gut gewesen. Bernd Muss

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany