Auf den Schreck ’nen Schnaps?
Musik war alles, als ich damals nach Hamburg kam. Ich hatte anderswo bei einem Musikmagazin gearbeitet und machte jetzt MOPOP. Tagsüber. Abends trieb ich mich mit meiner Freundin im Schlachthof rum, tanzte im Goldenen Salon, trank Bier auf der kleinen Dachterrasse des Kurhotels, verbrachte Stunden vor der Meanie Bar und im Molotow. Wir saßen in der Mutter und im Sorgenbrecher, im Lunacy und vor der Toast Bar. Und überall trafen wir auf Menschen, die tickten wie wir. Menschen, die Musik liebten. Und Menschen, die Musik machten. Wie lässig wir taten, wenn ein Barhocker weiter jemand saß, dessen CD (20 Jahre her!) wir mittags noch gehört hatten. Alles war aufregend, alles war Musik. Irgendwann war Schluss, das Leben kam dazwischen. Und auch die Vernunft: sich Nächte um die Ohren zu schlagen, macht schließlich nicht hübscher. Wir wurden älter. Alt. Neulich schrieb meine Freundin: „Kann ich mir von dir einen Kneipenabend zu Weihnachten wünschen? So was wie in die Mutter gehen oder so?“Und ich dachte an all die Läden, die uns damals so wichtig waren. Einige haben die Zeit überstanden, andere sind verschwunden – neue kamen dazu. Wie der Nachthafen, Ankerplatz für Musiker und Musik-Fans, Lieblingsort für alle, die einfach ihre Ruhe haben wollen. Wollten: Der Nachthafen ist abgebrannt, große Teile des Hauses sind zerstört, Menschen haben ihre Wohnungen verloren (s. S. 6/7). Eine Katastrophe. Und mir wird wieder klar, was für Oasen diese Orte sind. Schützenswert. Unterstützenswert. Den Weihnachtswunsch erfülle ich auf jeden Fall. Und zwar besser jetzt als gleich.