Keine Überlastung mehr dank Omikron?
ÖffnungsDiskussionen spalten Ärzte, Politik und Wissenschaft
„Ich rechne aktuell für die kommenden Wochen nicht mehr mit einer Überlastung des deutschen Gesundheitswesens“: Mit diesem Satz befeuerte der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, in der „Bild“erneut die Diskussion um Öffnungs-Perspektiven. Wobei auch er nur anregte, Schritte für die Zeit nach dem Höhepunkt der Omikron-Welle zu planen. Aber stimmt diese Einschät
zung überhaupt? Chef-Virologe Christian Drosten und Gesundheitsminister Karl Lauterbach etwa warnen: Öffnen wir zu schnell, dann dürfte die Aussage von Gaß bald obsolet sein. Dennoch blicken auch sie hoffnungsfroh in die Zukunft.
In einigen Punkten sind sich alle Expert:innen einig: Omikron ist grundsätzlich milder im Verlauf als vorherige Varianten. In Einzelfällen, gerade bei Ungeimpften, aber durchaus gefährlich. Außerdem ist es deutlich ansteckender als alles zuvor Bekannte. Vor allem Impfungen bringen deutlich weniger gegen eine Ansteckung, wohl aber gegen schwere Verläufe. Heißt vor allem: Die Inzidenz spielt zumindest eine geringere Rolle als bei früheren Wellen, entscheidend ist die Lage in den
Kliniken. So werden auch die aktuellen Beschränkungen ja begründet.
Ein entsprechendes Medien-Echo gab es gestern auf den Satz von DKG-Chef Gaß. Wobei er hinzufügte: Bis zum prognostizierten Höhepunkt der Welle, der in ein bis zwei Wochen erwartet wird, sollten alle Maßnahmen gelten. Danach aber könne die Politik „ohne Zweifel schrittweise Lockerungen für die kommenden Wochen ins Auge fassen“. Nächste Woche findet der nächste Bund-Länder-Gipfel statt. Auch laut dem FDP-Fraktionschef im Bundestag, Christian Dürr, ein idealer Zeitpunkt, solche Schritte zu planen.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sieht das offenbar deutlich anders als der Koalitionspartner: „Ich warne davor, zu früh zu
öffnen“, sagte er im ZDF-„Heute Journal“. Als Beispiel nannte er Israel, das einen solchen Weg vor einigen Wochen eingeschlagen habe.
Nach seinen Berechnungen würden dann hierzulande bald „400, vielleicht 500 Menschen“pro Tag sterben und nicht bis zu 150 im Mittel wie derzeit, was auch schon schlimm genug sei.
Auf Ähnliches hatte zuletzt auch schon Christian Drosten von der Berliner Charité hingewiesen. Dänemark und Großbritannien seien eben nicht wirklich zu vergleichen. „Die über 60-Jährigen sind hier noch zu elf Prozent ungeimpft – das ist das deutsche Problem“, sagte er im Coronavirus-Update des NDR. Vergleichbarer seien etwa die USA mit einer ähnlichen Impfquote. Dort trifft die Omikron-Welle aktuell die Älteren. Die Folge: Todesfallzahlen, die genauso hoch sind wie vergangenen Winter zum Höhepunkt der damaligen Welle.
Auch Drosten und Lauterbach sprechen vom Öffnen, peilen aber eher Ostern an. Am Ende geht es
also nur um die Frage: Wie lange genau abwarten? Planlos sollte dies nicht geschehen. So fordert auch der Deutsche Hausärzteverband: „Die Politik muss bereits jetzt ein Konzept entwickeln, wie die Öffnungsschritte konkret aussehen sollen.“Es sei unbedingt zu vermeiden, dass hektisch uneinheitliche und nicht durchdachte Lockerungsmaßnahmen beschlossen würden.