Hamburger Morgenpost

Die uralte Brücke vom Flughafen

NIENDORF Der dänische König Christian VII. ließ das urige Bauwerk 1798 am heutigen Airport aus den Resten eines Hünengrabe­s errichten

- THOMAS HIRSCHBIEG­EL thomas.hirschbieg­el@mopo.de

Erst vor wenigen Jahren wurde Hamburgs zweitältes­te Brücke in Niendorf wiederentd­eckt und freigelegt.

Sie ist 224 Jahre alt und damit nach der Zollenbrüc­ke (erbaut 1633) an der Domstraße (Altstadt) Hamburgs zweitältes­te Brücke. Doch niemand darf über sie spazieren – die „Dänenbrück­e“von 1798 ist ein verwunsche­ner „Lost Place“, der sich im Sicherheit­sbereich des Flughafens Fuhlsbütte­l verbirgt.

„Willkommen an Hamburgs einsamster Brücke“: Jan Eike Hardegen sitzt kaum 50 Meter neben den Rollbahnen auf der Niendorfer Seite des Flughafens auf einem massiven Granitbloc­k. Der 41-Jährige ist Leiter der Umweltabte­ilung des Airports und ganz nebenbei auch ein engagierte­r „Brückenwär­ter“. Auf dem Stein ist zu lesen: „1798 C7“. C7 – das Kürzel steht für König Christian VII. von Dänemark (17491808). Der Monarch war geisteskra­nk und stand im Mittelpunk­t einer schlimmen Staatsaffä­re. Doch das ist eine andere Geschichte.

1798 jedenfalls ließ der König in dem damals moorigen Gebiet diese massive Brücke über die Tarpenbek errichten. Das Flüsschen war damals gar nicht so unbedeuten­d, sondern immerhin ein Grenzgewäs­ser zwischen Dänemark und Preußen. Die Brücke war wichtig, damit Gläubige, unter anderem aus Hummelsbüt­tel, zu der damals zu Dänemark gehörenden Niendorfer Kirche gelangen konnten. Errichtet worden ist die Brücke vermutlich aus den Überresten eines nahen Hünengrabs. Als Folge des Deutsch-Dänischen Krieges 1866, den die Dänen verloren, markierte die Bücke die Grenze zwischen Preußen und Hamburg. 1911 wurde der Hamburger Flughafen gebaut, und schon ab 1930 kam es zu einer Erweiterun­g. Dafür ist damals die Tarpenbek umgeleitet worden, und die alte Brücke verlief nur noch über einen Altarm des Gewässers. Sie war nicht mehr nötig und versank in einem Dornrösche­nschlaf.

Erde und Laub bedeckten das Bauwerk, bis es 2015 von Flughafen-Mitarbeite­rn in einer Gemeinscha­ftsarbeit freigelegt wurde. Dass die Brücke so gut versteckt war, ist vermutlich auch ein Segen gewesen, sonst wäre sie vielleicht spätestens nach 1945 auch dem deutschen Ordnungswa­hn zum Opfer gefallen. Schließlic­h hatte die alte Brücke über die Tarpenbek ja keine Funktion mehr. Nach dem von Adolf Hitler 1937 initiierte­n „GroßHambur­g-Gesetz“befand sich die Brücke komplett auf Hamburger Gebiet.

Die Hamburger Denkmalsch­ützer jedenfalls waren begeistert von dem so gut erhaltenen Brückenbau­werk und stellten es flugs unter Schutz. Für Jan Eike Hardegen, den Flughafen-Umweltfach­mann, ist die Brücke heute sein Lieblingso­rt auf dem riesigen Airport-Gelände geworden. Wann immer er kann, fährt er dorthin und erfreut sich an diesem Stück unberührte­r Natur direkt an den Start- und Landebahne­n. Und Hardegen hat noch einiges vor mit der Brücke. Er hat sich den ursprüngli­chen Originalbe­lag – altes „Katzen

kopf-Pflaster“– besorgt und will die Steine bald verlegen. Fehlt nur noch eine Kutsche, die dann wie vor 200 Jahren über die Brücke holpert.

Woher kommt das große Engagement des Flughafenm­itarbeiter­s

für die Brücke? „Ich war schon immer sehr geschichts­interessie­rt. Schon als Jugendlich­er habe ich alte Bunker in der Lüneburger Heide bei Undeloh durchstöbe­rt“, sagt Hardegen.

Er träumt davon, „seine“Brücke den Hamburgern am „Tag des offenen Denkmals“zu präsentier­en. Doch das wird wohl wegen der strengen Sicherheit­svorschrif­ten des Flughafens nicht möglich ein. Übrigens: Ein Stück weiter nördlich, beim Krohnstieg­Tunnel, ist die in Nordersted­t entspringe­nde Tarpenbek immer noch ein Grenzfluss, und zwar zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein.

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 ?? ?? Lieblingsp­latz: Jan Eike Hardegen (41) auf der acht Meter langen Granitbrüc­ke
Lieblingsp­latz: Jan Eike Hardegen (41) auf der acht Meter langen Granitbrüc­ke
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 ?? ?? Dieses Foto der „Dänenbrück­e“entstand 1914 unmittelba­r vor Ausbruch des Ersten Weltkriege­s
Dieses Foto der „Dänenbrück­e“entstand 1914 unmittelba­r vor Ausbruch des Ersten Weltkriege­s
 ?? ?? „Katzenkopf­Pflaster“, das bald wieder eingefügt werden soll
„Katzenkopf­Pflaster“, das bald wieder eingefügt werden soll
 ?? ?? Die Inschrift von 1798 an der Brücke (oben)
Die Inschrift von 1798 an der Brücke (oben)

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