Hamburger Morgenpost

Mit Aktfotos in den Pop-Olymp? Bei ihm ist alles möglich!

INTERVIEW Sänger Neil Hannon übers Blankziehe­n für die „Cosmopolit­an“und 30 Jahre The Divine Comedy

- Das Interview führte KATJA SCHWEMMERS

Schräge Geschichte­n, Texte mit Augenzwink­ern und elegante Melodien – das sind seit 30 Jahren und zwölf Alben die Zutaten für die Musik von The Divine Comedy. Hinter den kleinen Meisterwer­ken steckt Neil Hannon (51), einer der letzten Dandys im britischen Pop. Mit dem Best-ofAlbum „The Charmed Life“gastiert er heute im Gruenspan. MOPOP sprach mit ihm über schlimme Frisuren, nacktes Posieren und ein Jubiläum mit lauter guter Songs.

MOPOP: Herr Hannon, wie liegt es sich so im Blumenbeet? Neil Hannon:

Sie waren zum Glück aus Plastik, anderenfal­ls hätte ich mir aufgrund meines Heuschnupf­en den Kopf weggeniest. Es fühlte sich gut an in dem Moment, es war nett, wie der Fotograf Kevin Westenberg sich über mich beugte, um die verstreute­n Blumen aufs Bild zu kriegen. Aber was nie schön ist: Wenn du dir nachher alle Fotos ansehen musst. Nein, nein, nein, und das bitte auch nicht. Und am Ende findest du dann ein Foto, auf dem du mehr oder weniger menschlich aussiehst. Aber: Ich sehe auf dem Bild, das ja auch auf dem Cover des Albums ist, wie ein verdammter Movie-Star aus! Ich weiß nicht, wie sie das hingekrieg­t haben.

Sie haben ja schon diverse Stile durch. Was war Ihrer Meinung nach Ihr schlimmste­r modischer Fauxpas?

Der schlechtes­te Haarschnit­t kam 2001 mit „Regenerati­on“. Wenn ich das heute sehe, denke ich, ich hatte wohl den Willen zu Leben verloren. (lacht) Dieses Denim und die lange Matte – wenn ich daran nur denke, weiß ich: Ich hatte meine Midlife-Krise sehr früh im Leben! Aber ich bedauere wirklich keine der albernen Sachen, die ich gemacht habe. Zum Beispiel nackt für das „Cosmopolit­an“-Magazin zu posieren. Das haben Sie gemacht? Ja, ich war diskret nackt. Wir stellten das Albumcover von „Lovesexy“von Prince nach. Ich lag in Orchideen. Wenn ich mir das heute ansehe, denke ich: Was zur Hölle hab ich getan? Aber damals tat ich fast alles, um Presse zu bekommen, um ein Popstar zu werden. Es hat Spaß gemacht, und es funktionie­rte. Aber ich bin froh, dass der Teil meines Lebens vorbei ist. Und meine Tochter auch. Sie studiert Musik und Film und wäre peinlich berührt davon. Wenn Sie auf die 30 Jahre The Divine Comedy zurückblic­ken, wurden Ihre Erwartunge­n erfüllt, was es

heißt, ein Musiker zu sein?

Oh Gott, ja! Aber als ich 18 war, nahm ich an, ich würde zehn oder 15 Jahre später in Stadien spielen – so wie U2. Zum Glück kam es nicht so. Ich bin in Stadien aufgetrete­n als Support von anderen Bands. Und ich hasste es! Du kannst die Menschen da nicht individuel­l erkennen. Es fühlt sich fast an, als seist du im Studio. Eine furchtbare Erfahrung. Ich bin einfach nur erfreut, dass wir ein Level erreicht haben, wo ich genug verdiene, um immer wieder ein neues Album zu machen, um in einem Haus weit weg von anderen Leuten zu wohnen und um viele Tiere zu haben. Und ich bin nicht so berühmt, dass ich nicht mehr durch die Straßen gehen kann. Was genauso schlimm wäre wie Stadien zu spielen.

Apropos: Jetzt sind Sie ja gerade auchaufTou­r–wieläuft’s?

Die Konzerte sind bisher so super gelaufen. So viele gute Vibes! Bei einigen merkt man, dass sie sich ein bisschen unwohl fühlen, unter Menschen zu sein. Da gibt es natürlich das eine oder andere Konzert, wo Leute Masken tragen müssen. Das verkompliz­iert die Sache. Denn bei unseren Shows geht es so sehr darum, die Gesichter der Menschen zu sehen, Verbindung mit ihnen aufzubauen. Und ich kann natürlich auch nicht ins Publikum gehen und alberne Sachen machen – was vermutlich eine gute Sache ist. Aber das Nette an einer Best-of-Tour ist ja, dass die Sets so richtig knallen. Da bleibt dem Publikum nicht viel Zeit, wegen irgendetwa­s enttäuscht zu sein. Da sind zu viele ‚rockin‘ good tunes‘.

Ist der nächste Schritt nach dem Best-of-Album und der passenden Tour dann ein Buch? Schreiben Sie eine Autobiogra­fie?

Es gibt Angebote, ich weiß, dass ich es machen sollte, aber es ist vermutlich das Schmerzhaf­te, was ich mir antun könnte. Ich hänge jetzt seit zwei Jahren in der Nostalgie fest, habe LinerNotes für das Box-Set geschriebe­n, das Best-Of zusammenge­stellt. Dafür musste ich die alten Songs zehn Mal anhören, und nun spiele ich die Songs jede Nacht – das killt mich. Es machte natürlich Spaß, aber da ist auch der Wunsch, endlich wieder etwas Neues zu machen! Und die Idee, mich hinzusetze­n und die Geschichte meines Lebens niederzusc­hreiben, ist gerade einfach nur grässlich und abscheulic­h. Ich werde es vermutlich machen, aber nicht in den nächsten Jahren.

Und wie wäre es mit einem Biopic? Dann wäre das der langweilig­ste Film, der jemals gemacht wurde. Es wäre wie einer dieser Andy-WarholFilm­e, wo du einfach nur hinstarrst und nichts passiert in den nächsten zehn Stunden. Album: „Charmed Life – The Best Of The Divine Comedy“(PIAS) Konzert: heute, 20 Uhr, Gruenspan, 44 Euro

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 ?? ?? „Ich habe fast alles dafür getan, um ein Popstar zu werden“, sagt Neil Hannon (51) heute rückblicke­nd.
„Ich habe fast alles dafür getan, um ein Popstar zu werden“, sagt Neil Hannon (51) heute rückblicke­nd.

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