„Ich verstehe den Schmerz“
FUHLSBÜTTEL Buchhändlerin Natalia Banakh sammelt Literatur für ukrainische Flüchtlinge
Die gebürtige Ukrainerin Natalia Banakh betreibt gemeinsam mit ihrem Mann Lutz Heimhalt eine Buchhandlung in Fuhlsbüttel. Um geflüchteten Familien Trost zu spenden, sammelt sie Kinderbücher, Sprachführer und andere Literatur aus der Heimat.
In dem kleinen Eckbuchladen im Erdkampsweg 18 stapeln sich inzwischen die Bücherspenden. „Hier sieht es manchmal aus wie in einem Labyrinth, aber die Kunden im normalen Tagesgeschäft haben großes Verständnis“, sagt Natalia Banakh zur MOPO.
Banakh stammt aus dem Ort Iwano-Frankiwsk im Westen der Ukraine. Inzwischen lebt sie seit mehr als 20 Jahren in Deutschland. Als sie vom Angriffskrieg in ihrem Heimatland hörte und von den vielen Geflüchteten, dachte sie daran, was ihr als Kind an dunklen Tagen früher guttat: Bücher. Buchläden waren für sie „wie ein Flughafen, um die Welt zu entdecken“. „Dort schien für mich die Sonne“, sagte Banakh. „Deshalb war es das Erste, woran ich gedacht habe, um den Familien hier zu helfen.“Banakhs Eltern leben derzeit bei ihr in Hamburg. Ihre Schwester und weitere Verwandte sind in der Ukraine geblieben. „Ich versuche den Kontakt, so gut es geht, aufrechtzuerhalten, mache mir aber unglaubliche Sorgen. Es könnte jederzeit ein Angriff stattfinden“, sagt sie. Eine Professorin an der Universität aus dem Ort, wo sie aufgewachsen ist und studiert hat, half ihr beim Einsammeln der Bücher. Nach einem ersten Radio-Interview in Deutschland boten ihr viele Kunden Geld-, Sachspenden und sogar Wohnungen für Geflüchtete an.
Davon kauften sie weitere Bücher. „Wir haben auch schon zwei Lieferungen mit Büchern aus der Ukraine bekommen“, sagt die Buchhändlerin. Auch der Autor Martin Ferfers wurde auf die Aktion aufmerksam und spendete 200 Exemplare seines Kinderbuchs „Träum schön, Siggi Siebenschläfer“, das auf Deutsch und Ukrainisch erschienen ist.
„Es kommen viele Geflüchtete direkt zu uns ins Geschäft und wir verteilen an sie die Bücher und Spenden“, sagt Banakh. Zudem kämen auch viele Anfragen aus anderen Buchläden, Schulen und Bücherhallen, die gern ukrainische Bücher an Geflüchtete weitergeben möchten. „Es gibt Bücher für alle Altersgruppen, von Bilderbüchern für Kinder bis hin zu Sprachführern für Erwachsene.“
Die Geflüchteten kommen auch aus einem anderen Grund gern in den Buchladen: „Ich verstehe ihre Kultur und den Schmerz“, sagt Banakh. „Das gesprochene Wort, egal in welcher Sprache, und die Zuwendung sind wichtig.“Manchmal hilft sie auch mit Unterlagen oder kleinen Übersetzungen. Am Ende hat Banakh natürlich auch noch ein paar Tipps für ukrainische Literatur: „Ich kann etwa von Oksana Sabuschko das Buch ‚Museum der vergessenen Geheimnisse‘ empfehlen. Darin geht es um eine Widerstandskämpferin in den 40er Jahren. Wer Gedichte mag, sollte Lesya Ukrainka, eine Feministin aus dem 19. Jahrhundert, lesen – sie war ihrer Zeit voraus.“
Das gesprochene Wort, egal in welcher Sprache, und die Zuwendung sind wichtig. Buchhändlerin Natalia Banakh über das Leid ihrer Landsleute aus der Ukraine