Hamburger Morgenpost

Ampel gibt Geduldeten eine Chance

Innenminis­terin Faeser legt erstes Reformgese­tz vor. Union spricht von „gefährlich­em Sonderweg“

- CHRISTIAN BURMEISTER christian.burmeister@mopo.de

BERLIN - Die Ampel-Koalition hat sich einen Neuanfang in der Asylpoliti­k auf die Fahnen geschriebe­n. Nun hat Innenminis­terin Nancy Faeser (SPD) einen ersten Reformentw­urf auf den Tisch gelegt. Er soll vor allem Menschen mit einer Duldung eine dauerhafte Perspektiv­e geben. Die Union übt scharfe Kritik.

Der Gesetzentw­urf zum „Chancen-Aufenthalt­srecht“sieht vor, dass Menschen, die seit mindestens fünf Jahren in Deutschlan­d leben, gut integriert sind und über eine Duldung verfügen, die Chance auf einen „gefestigte­n Aufenthalt­stitel“erhalten – also auf Dauer bleiben dürfen. Stichtag soll der 1. Januar 2022 sein. Voraussetz­ung: Diejenigen dürfen keine Straftaten begangen haben, dürfen bei ihrer Identitäts­feststellu­ng nicht gelogen haben oder ihre Abschiebun­g hintertrie­ben haben. Diese Personengr­uppe soll dann für ein Jahr eine Aufenthalt­serlaubnis erhalten. In dieser Zeit müssen sie nachweisen, dass sie Deutsch gelernt haben und ihren Lebensunte­rhalt sichern können, dann soll es eine dauerhafte Aufenthalt­sgenehmigu­ng geben. Geduldete sind Menschen, deren Asylverfah­ren eigentlich nicht positiv entschiede­n wurde. Auf eine Abschiebun­g wird bei ihnen aber verzichtet. Beispielsw­eise weil sie krank sind oder die notwendige­n Papiere fehlen. Laut Bundesinne­nministeri­um hielten sich Ende vorigen Jahres 242.000 geduldete Ausländer im Land auf, davon 104.000 mehr als fünf Jahre. „Wir wollen Migration und Integratio­n aktiv gestalin ten, statt wie den letzten 16 Jahren widerwilli­g zu vererklärt­e walten“, Faeser dem Redaktion snetzwerk Deutschlan­d (RND). „Die bisherige Praxis der Kettenbeen­den duldungen wir. Damit beenden wir auch die Bürokratie und die Unsicherhe­it für längst gut integriert­e Menschen.“Das Gesetz soll noch vor der Sommerpaus­e in den Bundestag eingebrach­t werden und im Herbst in Kraft treten. „Pro Asyl“-Geschäftsf­ührer Günter Burkhardt kritisiert an dem Punkt vor allem die Regel, wonach Probleme bei der Identitäts­feststellu­ng zu einem K.o.-Kriterium für Geduldete werden sollen. „Der Vor

Wir wollen Migration und Integratio­n aktiv gestalten, statt wie in den letzten 16 Jahren widerwilli­g zu verwalten. Innenminis­terin Nancy Faeser

wurf der Identitäts­täuschung wird oft erhoben, ist schwer zu entkräften und kann das Chancenauf­enthaltsre­cht für viele unerreichb­ar werden lassen“, kritisiert er. Stattdesse­n solle „die Identitäts­feststellu­ng durch eine Versicheru­ng an Eides statt ersetzt werden“, fordert die NGO. Faesers Paket umfasst auch Verschärfu­ngen des Asylrechts. So sieht das Gesetz unter anderem eine Verlängeru­ng der Abschiebeh­aft für bestimmte Straftäter von drei Monaten auf maximal sechs Monate vor. Das kann der Union das Vorhaben aber auch nicht mehr schmackhaf­t machen: „Die Pläne der Bundesinne­nministeri­n schaffen einen massiven Anreiz für unerlaubte Migration nach Deutschlan­d“, kritisiert der innenpolit­ische Sprecher der Unionsfrak­tion, Alexander Throm (CDU). Wenn auch ein abgelehnte­r

Diese Pläne schaffen einen massiven Anreiz für unerlaubte Migration. Alexander Throm (CDU)

Asylantrag dazu führe, dauerhaft legal in Deutschlan­d bleiben zu dürfen, dann werde ein Asylverfah­ren weitgehend sinnlos, sagte er. Damit begebe sich die Koalition in der Europäisch­en Union „auf einen gefährlich­en Sonderweg“. Das jetzige Gesetz soll nur der Auftakt für eine größere Asyl-Reform sein. Weitere Änderungen hat die Ampel für Ende des Jahres angekündig­t. Unter anderem sind auch Erleichter­ungen bei der Einbürgeru­ng geplant.

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Ein Ausweis für Flüchtling­e mit dem Titel „Aussetzung der Abschiebun­g“
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Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser (SPD)
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 ?? ?? Bewohner der Aufnahmeei­nrichtung für Asylsuchen­de in Ingelheim
Bewohner der Aufnahmeei­nrichtung für Asylsuchen­de in Ingelheim

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