„Sie hat sich nie Illusionen gemacht“
Angela Merkels erster Auftritt als Ex-Kanzlerin sorgt für Debatten
BERLIN - Wenn Angela Merkel spricht, hat sie noch immer die Aufmerksamkeit der halben Republik. Das zeigen auch die Reaktionen auf ihren Auftritt in einem Berliner Theater am Dienstagabend (MOPO berichtete). Dort hatte die Ex-Kanzlerin unter anderem ihre Russlandund Ukraine-Politik verteidigt. Sie werde sich nicht für misslungene Diplomatie-Versuche entschuldigen, hatte sie gesagt. Leider sei im ersten Interview seit dem Regierungswechsel vor einem halben Jahr „kein Hauch Selbstkritik“zu spüren gewesen, kritisierte der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk nach dem Auftritt. Die Äußerungen der CDU-Politikerin nannte er „befremdlich“. Wie könne es denn sein, dass Russland „den blutigsten Krieg in Europa seit 1945“habe starten können, wenn die deutsche Russland-Politik in den letzten Jahrzehnten „so toll war“, fragte Melnyk. Ohne eine aufrichtige Aufarbeitung der Fehler sei es gar nicht möglich, „richtige Schlüsse für das künftige Verhältnis zu Moskau zu ziehen und die Aggression zu stoppen“, so der Diplomat. Merkels Haltung zur NATO-Mitgliedschaft und EU-Beitrittsperspektive der Ukraine und das Festhalten an Nord Stream 2 habe Putin mit ermutigt, die Ukraine anzugreifen. Allerdings marschierten am Tag nach dem Gespräch auch Merkels Verteidiger auf. Beispielsweise in Person ihres ehemaligen Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU): „Sie hat sich nie einer Illusion hingegeben, wer oder wie Wladimir Putin ist“, sagt er. „Anders als ihr Vorgänger Gerhard Schröder, der hat sich dem System verkauft.“
Merkel hatte bei ihrem Auftritt auch persönliche Einblicke gegeben. So erklärte sie ihre Zitteranfälle in der Öffentlichkeit. Dies habe auch mit dem Tod ihrer Mutter zu tun gehabt. „Das hat mich doch mehr in Anspruch genommen, als ich dachte.“Sie sei zu diesem Zeitpunkt sehr erschöpft gewesen. Heute vertreibe sie sich die Zeit u. a. mit Hörbüchern.