Hamburger Morgenpost

Hilft ein Hundeführe­rschein Beißattack­en zu verhindern?

PFLICHTKUR­SE Experten fordern seit Langem einen Sachkunden­achweis für alle, die sich Schäferhun­d, Terrier & Co. anschaffen – aber die Politik ist sich uneinig

- STEPHANIE LAMPRECHT stephanie.lamprecht@mopo.de

Fast ist es so etwas wie ein Ritual: Nach jedem schlimmen Beißvorfal­l werden Rufe nach dem „Hundeführe­rschein“laut – auch nach dem schrecklic­hen Unglück mit PitbullMis­chling Rocky, der ein Kleinkind fast totgebisse­n hat. Warum ist es so schwer, Hundehalte­r dazu zu verpflicht­en, sich vor Anschaffun­g eines Hundes schlauzuma­chen? Und was würde das überhaupt bringen?

Die Hamburger Hundetrain­erin Inken Ramelow würde es sehr begrüßen, wenn Hundehalte­r verpflicht­et würden, sich Grundkennt­nisse anzueignen – und zwar vor der Anschaffun­g eines Hundes: „Bei einem neuen technische­n Gerät liest man ja auch erst mal die Gebrauchsa­nweisung. “Die Auswirkung­en völlig unüberlegt­er Hundekäufe erlebt sie täglich in der Praxis: „Immer wieder sehe ich, dass Menschen sich einen Hund angeschaff­t haben, spontan, ohne jede Intuition für dieses Lebewesen, ohne die geringste Ahnung vom Umgang mit einem Hund – man fragt sich, woher der Wunsch nach einem Tier überhaupt rührt.“Auch die Tierschutz­organisati­on Peta fordert seit Jahren einen Hundeführe­rschein, und TV-Hundeprofi Martin Rütter erklärte erst vor wenigen Tagen in der RTL-Dokusoap „Die Welpen kommen“: „Ich finde, dass dringend ein deutschlan­dweiter standardis­ierter Hundeführe­rschein hermuss.“Seit Jahren kämpft Rütter für den Sachkunden­achweis, verweist gerne auf den Angelschei­n: „Der Angler ist keine Bedrohung für die Gesellscha­ft. Ein Hundehalte­r beziehungs­weise ein Hund kann das werden, und zwar durch Unwissenhe­it.“Hamburg jedoch setzt – seit dem tragischen Tod des kleinen Volkan im Jahr 2000 – auf die Rasseliste, die bestimmte Hunderasse­n komplett verbietet, kombiniert mit einer allgemeine­n Leinenpfli­cht, von der man sich durch den Besuch einer Hundeschul­e befreien lassen kann.

Dieser „freiwillig­e Hundeführe­rschein“sei eine „gute Ergänzung zum strengen Hamburger Hundegeset­z“, findet Sarah Timmann, tierschutz­politische Sprecherin der SPD-Fraktion. Sprich: Obligatori­sche Prüfungen für alle Hundehalte­r wird es mit der SPD in Hamburg nicht geben, auch wenn die Koalitions­partner von den Grünen nicht abgeneigt wären.

Das Problem: Wer unbedingt eine verbotene Hunderasse in Hamburg halten will, meldet das Tier an einer Adresse außerhalb der Stadt an und dann ist der American Pitbull halt nur zu Besuch. Der Hund „Rocky“etwa, der in einer Rahlstedte­r Wohnung eine Zweijährig­e in Kopf und Hals gebissen hat, war in Segeberg gemeldet. Hamburgs Nachbarn gehen das Thema anders an: Niedersach­sen hat keine Rasseliste, sondern verlangt seit 2013 einen „Sachkunden­achweis“für jeden, der sich einen Hund zulegen will, egal ob Dackel oder Dobermann. Tatsächlic­h ist die Wirkung des Hundeführe­rscheins umstritten: In der Schweiz wurden die Pflichtkur­se 2008 landesweit eingeführt – und acht Jahre später wieder abgeschaff­t, weil unklar war, ob die Beißvorfäl­le durch den ganzen Aufwand tatsächlic­h gesunken sind.

Hamburgs Politiker sind uneins, auch in der CDUFraktio­n gibt es Befürworte­r und Gegner. Der CDU-Abgeordnet­e Sandro Kappe fordert nun eine Aufstockun­g des Hundekontr­olldienste­s. Derzeit sollen zehn Mitarbeite­r rund 60.000 Hundehalte­r kontrollie­ren. Außerdem stellt Kappe eine Anfrage: „Plant der Senat einen Hundeführe­rschein?“

Beieinemne­uen technische­n Gerät liest man ja auch erst mal die Gebrauchsa­nweisung. Hundetrain­erin Inken Ramelow ist für den Hundeführe­rschein

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In Niedersach­sen müssen Hundehalte­r zusammen mit dem Tier eine praktische Prüfung ablegen.

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