Hilft ein Hundeführerschein Beißattacken zu verhindern?
PFLICHTKURSE Experten fordern seit Langem einen Sachkundenachweis für alle, die sich Schäferhund, Terrier & Co. anschaffen – aber die Politik ist sich uneinig
Fast ist es so etwas wie ein Ritual: Nach jedem schlimmen Beißvorfall werden Rufe nach dem „Hundeführerschein“laut – auch nach dem schrecklichen Unglück mit PitbullMischling Rocky, der ein Kleinkind fast totgebissen hat. Warum ist es so schwer, Hundehalter dazu zu verpflichten, sich vor Anschaffung eines Hundes schlauzumachen? Und was würde das überhaupt bringen?
Die Hamburger Hundetrainerin Inken Ramelow würde es sehr begrüßen, wenn Hundehalter verpflichtet würden, sich Grundkenntnisse anzueignen – und zwar vor der Anschaffung eines Hundes: „Bei einem neuen technischen Gerät liest man ja auch erst mal die Gebrauchsanweisung. “Die Auswirkungen völlig unüberlegter Hundekäufe erlebt sie täglich in der Praxis: „Immer wieder sehe ich, dass Menschen sich einen Hund angeschafft haben, spontan, ohne jede Intuition für dieses Lebewesen, ohne die geringste Ahnung vom Umgang mit einem Hund – man fragt sich, woher der Wunsch nach einem Tier überhaupt rührt.“Auch die Tierschutzorganisation Peta fordert seit Jahren einen Hundeführerschein, und TV-Hundeprofi Martin Rütter erklärte erst vor wenigen Tagen in der RTL-Dokusoap „Die Welpen kommen“: „Ich finde, dass dringend ein deutschlandweiter standardisierter Hundeführerschein hermuss.“Seit Jahren kämpft Rütter für den Sachkundenachweis, verweist gerne auf den Angelschein: „Der Angler ist keine Bedrohung für die Gesellschaft. Ein Hundehalter beziehungsweise ein Hund kann das werden, und zwar durch Unwissenheit.“Hamburg jedoch setzt – seit dem tragischen Tod des kleinen Volkan im Jahr 2000 – auf die Rasseliste, die bestimmte Hunderassen komplett verbietet, kombiniert mit einer allgemeinen Leinenpflicht, von der man sich durch den Besuch einer Hundeschule befreien lassen kann.
Dieser „freiwillige Hundeführerschein“sei eine „gute Ergänzung zum strengen Hamburger Hundegesetz“, findet Sarah Timmann, tierschutzpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. Sprich: Obligatorische Prüfungen für alle Hundehalter wird es mit der SPD in Hamburg nicht geben, auch wenn die Koalitionspartner von den Grünen nicht abgeneigt wären.
Das Problem: Wer unbedingt eine verbotene Hunderasse in Hamburg halten will, meldet das Tier an einer Adresse außerhalb der Stadt an und dann ist der American Pitbull halt nur zu Besuch. Der Hund „Rocky“etwa, der in einer Rahlstedter Wohnung eine Zweijährige in Kopf und Hals gebissen hat, war in Segeberg gemeldet. Hamburgs Nachbarn gehen das Thema anders an: Niedersachsen hat keine Rasseliste, sondern verlangt seit 2013 einen „Sachkundenachweis“für jeden, der sich einen Hund zulegen will, egal ob Dackel oder Dobermann. Tatsächlich ist die Wirkung des Hundeführerscheins umstritten: In der Schweiz wurden die Pflichtkurse 2008 landesweit eingeführt – und acht Jahre später wieder abgeschafft, weil unklar war, ob die Beißvorfälle durch den ganzen Aufwand tatsächlich gesunken sind.
Hamburgs Politiker sind uneins, auch in der CDUFraktion gibt es Befürworter und Gegner. Der CDU-Abgeordnete Sandro Kappe fordert nun eine Aufstockung des Hundekontrolldienstes. Derzeit sollen zehn Mitarbeiter rund 60.000 Hundehalter kontrollieren. Außerdem stellt Kappe eine Anfrage: „Plant der Senat einen Hundeführerschein?“
Beieinemneuen technischen Gerät liest man ja auch erst mal die Gebrauchsanweisung. Hundetrainerin Inken Ramelow ist für den Hundeführerschein