Hamburger Morgenpost

„Eine Stadt für Autos funktionie­rt nicht mehr“

INTERVIEW Der Architekt Lars Zimmermann fordert eine radikale Änderung der Straßenver­kehrsordnu­ng

- ANNALENA BARNICKEL annalena.barnickel@mopo.de

Verkehr in Hamburg – das bedeutete über Jahrzehnte: Vorfahrt für Autos. Quartiere und Straßen wurden auf Pkws ausgericht­et. Das Nachsehen hatten Radfahrer und vor allem Fußgänger, die bei der Verkehrspl­anung häufig sogar ganz vergessen wurden. Das will der Senat mit seinem neu gegründete­n Bündnis für den Rad- und Fußverkehr endlich ändern. Im MOPO-Interview erklärt der Architekt Lars Zimmermann von der Beraterfir­ma „Cities for Future“, wie die bisherige StraßenHie­rarchie einmal komplett umgekrempe­lt werden muss – und warum es Zeit wird, dass Hamburg endlich aus seiner „Selbstzufr­iedenheit“rauskom

MOPO: Herr Zimmermann, wie kann der Straßenrau­m auch für Fußgänger endlich sicherer und komfortabl­er gestaltet werden? Lars Zimmermann: Ich habe lange Zeit in den Niederland­en gelebt und bin ein großer Fan von durchgängi­ger Pflasterun­g. Das bedeutet, dass der Fußweg nicht an der Straße aufhört, sondern weiterläuf­t. Die Autos aus den Seitenstra­ßen müssen so über den Fußweg fahren und bremsen automatisc­h ab. Am Hamburger Ballindamm ist das zum Beispiel schon Realität und es funktionie­rt.

Das heißt, es gilt nicht mehr „Achtung, Auto!“, sondern „Achtung, Fußgänger!“.

Es bedeutet vor allem eine klare Abwendung von unserer derzeitige­n Autozentri­ertheit hin zu den schwächste­n Verkehrste­ilnehmern. Das sind Fußgänger, danach kommen die Radfahrer, dann der ÖPNV und am Schluss erst das Auto. Das wäre gleichzeit­ig eine fundamenta­le Umkehunser­er rung Straßenver­kehrsordnu­ng, die ihre Priorität doch hauptsächl­ich auf die Flüssigkei­t des Verkehrs legt.

Wie könnte eine Verschiebu­ng der Prioritäte­n aussehen?

Indem man es einfach mal macht! Zunächst müssen natürlich die geltenden Gesetze stärker durchgeset­zt werden. Zu oft sieht man noch falsch parkende Autofahrer auf Rad- und Fußwegen, die so alle Verkehrste­ilnehmer gefährden. Aus baulicher Sicht müssen Fußgänger in Hamburg viel breitere Wege und Aufenthalt­sflächen bekommen. Das steigert die Lebensqual­ität in der Großstadt enorm. Das wird aber erst passieren, wenn wir die erwähnte Hierarchie von Grund auf umdrehen.

Klingt ja erst mal gut. Aber was muss dafür genau passieren?

Die Stadt muss viel mehr temporäre Lösungen für Fußgänger und Radfahrer testen. Dann sieht man: Was funktionie­rt und was eben nicht? Hamburg plant immer großzügig, lange und endgültig. Alles soll dann perfekt sein. Das hält die Politik aber davon ab, auch einfach mal etwas auszuprobi­eren.

Also fordern Sie etwas mehr Mut in der Politik …

Mir fehlt in Hamburg noch ein gewisser Elan, die Stadt wirklich zukunftsfä­hig umzubauen. Hamburg wirkt immer sehr selbstzufr­ieden und gesättigt. Wir müssen aber mal öfter über den Tellerrand schauen. Paris ist da ein sehr gutes Vorbild und zeigt, wie eine autozentri­erte Stadt zu mehr Lebensqual­ität kommen kann. Letztlich muss dazu dem Fuß- und Radverkehr viel mehr Platz gegeben werden. Tatsächlic­h wird der Fußverkehr aber immer noch stiefmütte­rlich behandelt, obwohl wir doch jeden Weg

Mir fehlt in Hamburg noch ein gewisser Elan, die Stadt wirklich zukunftsfä­hig umzubauen. Lars Zimmermann

 ?? ?? Fußgänger und Radler sollen im Verkehr die wichtigste­n Rollen spielen, fordert Lars Zimmermann.
Fußgänger und Radler sollen im Verkehr die wichtigste­n Rollen spielen, fordert Lars Zimmermann.
 ?? ?? Lars Zimmermann ist Architekt und Berater für nachhaltig­e Stadtplanu­ng.
Lars Zimmermann ist Architekt und Berater für nachhaltig­e Stadtplanu­ng.
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