Das Kulturhaus und der ungelöste Mordfall
Nach einem Tanzabend im „Kurt Bürger“wurde ein Jugendlicher umgebracht
Manche Orte wirken auf den ersten Blick so unspektakulär, dass man sich kaum vorstellen kann, welche unheimlichen Geschichten und Rätsel sich dort verbergen. So ist es auch im Falle des Kulturhauses „Kurt Bürger“– liebevoll „Kulti“genannt – im mecklenburgischen Boizenburg an der Elbe: Im Jahr 1997 verschwand hier ein 14-jähriger Junge und wurde Wochen später tot in einem Waldstück aufgefunden. Zuletzt lebend gesehen hatten ihn seine Freunde im „Kulti“, das mittlerweile leer steht und verfällt.
Die Scheiben sind eingeschlagen, der Putz bröckelt, ein Bauzaun hindert Unbefugte am Betreten des von kahlen Bäumen flankierten „Kurt Bürger“. Früher traf sich hier die Dorfjugend zum Feiern, Tanzen und Trinken. Ein fröhlicher Ort – über dem seit dem Jahr 1997 ein Schatten liegt.
An einem Herbstabend ging der 14-jährige Martin Drewes wie so häufig in das Kulturhaus. Am frühen Abend durften dort die Minderjährigen tanzen, heißt es in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY ... ungelöst“, in der Martins Fall später rekonstruiert wird. Ab 21 Uhr feierten die Älteren. Nach der Party verabschiedet sich Martin von seinen Freunden. Doch anstatt nach Hause zu gehen, schlägt er einen anderen Weg ein, weg vom Elternhaus. „Bis heute fragt sich die Kripo: Wo wollte er hin?“, sagt der Moderator in der ZDF-Sendung. Es ist der letzte Tag, an dem Martins Familie und Freunde den 14-Jährigen lebend sehen. Zwei Wochen später wird seine Leiche in einem zehn Kilometer entfernten Waldstück gefunden.
Eine Cold-Case-Unit des Polizeipräsidiums Rostock nimmt sich des Falls an. Das Kulturhaus wird zum zentralen Dreh- und Angelpunkt der Ermittlungen. Die Obduktion der Leiche ergibt laut NDR, dass Martin durch ein Gewaltverbrechen zu Tode kam. Doch die Polizei findet keine Hinweise auf den Täter, und so wird der Fall hintangestellt. Erst im Jahr 2021, 24 Jahre nach Martins Tod, entschließt man sich, den Fall neu aufzurollen.
Von dem Auftritt in der Fernsehsendung „Aktenzeichen XY...ungelöst“versprechen sich die Ermittler viel. Tatsächlich gehen nach der Ausstrahlung zahlreiche Hinweise und Informationen bei der Polizei ein. Doch zu neuen Erkenntnissen führten die bisher nicht. Im Rahmen der neuen Untersuchungen wird auch das „Kurt Bürger“noch einmal auf den Kopf gestellt. Dafür holen sich die Ermittler Unterstützung vom Technischen Hilfswerk, denn Teile des denkmalgeschützten Gebäudes gelten nach zwei Bränden in den Jahren 2006 und 2008 als einsturzgefährdet. Wie der erst 14-jährige Martin Drewes zu Tode kommt, bleibt auch knapp 25 Jahre nach dem Gewaltverbrechen ungeklärt. Noch immer sucht die Polizei nach dem entscheidenden Hinweis. Wer jedoch diese unheimliche Geschichte gehört hat, sieht das alte, langsam zerfallende „Kulti“, den einstigen Treffpunkt im beschaulichen Boizenburg, gleich mit ganz anderen Augen.
1997 verschwand hier ein 14-jähriger Junge und wurde Wochen später tot in einem Waldstück gefunden.