Tod eines Jungen bei Nasen-OP
Praxis unzureichend ausgestattet – beide Angeklagten schweigen
Nach einer Routine-OP in Hamburg stirbt 2007 ein Neunjähriger im Aufwachraum. Erst nach 15 Jahren kommt es jetzt vor dem Landgericht zum Prozess gegen den Operateur und einen Praxis-Mitinhaber. Gestern sagte der Vater des toten Jungen aus. Es war bewegend.
„Ich habe ihn sehr geliebt“, sagte der Zeuge. Der Tod seines Sohnes habe ihm sehr zugesetzt. „Alles ist negativ geworden.“Er habe seither starke gesundheitliche Probleme. An Details rund um die Operation könne er sich nach so langer Zeit kaum noch erinnern. Immer wieder schluchzte der Mann, hielt ein großes Papiertuch vor sein Gesicht und hatte Schwierigkeiten beim Atmen.
Angeklagt in dem seit Anfang Mai laufenden Prozess sind zwei Ärzte – der Operateur und ein Praxis-Mitinhaber. Der Neunjährige war 2007 in einer Hamburger Arztpraxis an der Nase operiert worden, um die Atmung zu verbessern. Eigentlich war es laut Staatsanwaltschaft ein Routineeingriff. Doch im Aufwachraum kam es zu Komplikationen, der Junge starb eine Woche später. Das Kind sei im Aufwachraum nicht ausreichend überwacht worden, lautete der Vorwurf des Staatsanwalts.
Auch der Vater betonte, das Problem sei aus seiner
Sicht eine fehlende Begleitung nach der Operation gewesen. „Ich möchte, dass er seinen Fehler erkennt“, sagte der Zeuge in Richtung des Operateurs. Es gehe ihm aber nicht um Bestrafung. Überhaupt sei dies eine „nutzlose Verhandlung“.
Man solle dies Gott überlassen, sagte der 52-Jährige, der sich als sehr gläubig bezeichnete. Der Prozess mache seinen Sohn nicht wieder lebendig.
Viele Gerichte hat der Fall über die Jahre bereits beschäftigt – auch das Bundesverfassungsgericht. 2009 wurde eine Narkoseärztin zu einer Geldstrafe verurteilt. Nun muss das Landgericht klären, ob auch den Operateur (64) und den PraxisMitinhaber (68) eine Schuld trifft. Bei der juristischen Aufarbeitung hat die Kam
mer 15 Jahre nach dem Tod des Jungen viele schwierige Fragen zu klären. Dem Operateur wirft die Anklage Körperverletzung mit Todesfolge vor, dem Mitinhaber der Praxis Beihilfe durch Unterlassen. Die beiden Angeklagten schwiegen in dem Prozess bisher. Bei Prozessbeginn hatte der Verteidiger des Operateurs den Tod des Jungen als „tragischen Unglücksfall“bezeichnet. Der Vater und die Mutter des Kindes sind Nebenkläger. Ihre Ehe ist seit mehreren Jahren geschieden. Weiterer Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Die Praxis sei personell und apparativ nicht so ausgestattet gewesen, wie es die medizinischen Standards vorsehen. Aus diesem Grund sei die Operation für den Jungen mit besonderen Risiken verbunden gewesen – darauf habe der Arzt den Vater bei der Patientenaufklärung bewusst nicht aufmerksam gemacht. Der Vater hat seinen Angaben im Gericht zufolge keine Erinnerungen mehr daran, wie Gespräche zur Aufklärung verliefen.
„Den Vorwurf unzureichender Ausstattung macht die Staatsanwaltschaft daran fest, dass Nachblutungen zu den typischen Komplikationen bei solchen Operationen gehören“, hatte ein Gerichtssprecher zu Prozessbeginn erklärt. „Dann kann sich Blut im Rachenraum sammeln und die Atmung behindern.“Deshalb müsse die Sauerstoffsättigung des noch unter Narkose stehenden Patienten mit einem sogenannten Pulsoximeter überwacht werden. Aber ein solches Messgerät sei im Aufwachraum laut Anklage nicht verwendet worden. Der Prozess wird am kommenden Mittwoch fortgesetzt.