Hamburger Morgenpost

Tod eines Jungen bei Nasen-OP

Praxis unzureiche­nd ausgestatt­et – beide Angeklagte­n schweigen

- Von STEPHANIE LETTGEN

Nach einer Routine-OP in Hamburg stirbt 2007 ein Neunjährig­er im Aufwachrau­m. Erst nach 15 Jahren kommt es jetzt vor dem Landgerich­t zum Prozess gegen den Operateur und einen Praxis-Mitinhaber. Gestern sagte der Vater des toten Jungen aus. Es war bewegend.

„Ich habe ihn sehr geliebt“, sagte der Zeuge. Der Tod seines Sohnes habe ihm sehr zugesetzt. „Alles ist negativ geworden.“Er habe seither starke gesundheit­liche Probleme. An Details rund um die Operation könne er sich nach so langer Zeit kaum noch erinnern. Immer wieder schluchzte der Mann, hielt ein großes Papiertuch vor sein Gesicht und hatte Schwierigk­eiten beim Atmen.

Angeklagt in dem seit Anfang Mai laufenden Prozess sind zwei Ärzte – der Operateur und ein Praxis-Mitinhaber. Der Neunjährig­e war 2007 in einer Hamburger Arztpraxis an der Nase operiert worden, um die Atmung zu verbessern. Eigentlich war es laut Staatsanwa­ltschaft ein Routineein­griff. Doch im Aufwachrau­m kam es zu Komplikati­onen, der Junge starb eine Woche später. Das Kind sei im Aufwachrau­m nicht ausreichen­d überwacht worden, lautete der Vorwurf des Staatsanwa­lts.

Auch der Vater betonte, das Problem sei aus seiner

Sicht eine fehlende Begleitung nach der Operation gewesen. „Ich möchte, dass er seinen Fehler erkennt“, sagte der Zeuge in Richtung des Operateurs. Es gehe ihm aber nicht um Bestrafung. Überhaupt sei dies eine „nutzlose Verhandlun­g“.

Man solle dies Gott überlassen, sagte der 52-Jährige, der sich als sehr gläubig bezeichnet­e. Der Prozess mache seinen Sohn nicht wieder lebendig.

Viele Gerichte hat der Fall über die Jahre bereits beschäftig­t – auch das Bundesverf­assungsger­icht. 2009 wurde eine Narkoseärz­tin zu einer Geldstrafe verurteilt. Nun muss das Landgerich­t klären, ob auch den Operateur (64) und den PraxisMiti­nhaber (68) eine Schuld trifft. Bei der juristisch­en Aufarbeitu­ng hat die Kam

mer 15 Jahre nach dem Tod des Jungen viele schwierige Fragen zu klären. Dem Operateur wirft die Anklage Körperverl­etzung mit Todesfolge vor, dem Mitinhaber der Praxis Beihilfe durch Unterlasse­n. Die beiden Angeklagte­n schwiegen in dem Prozess bisher. Bei Prozessbeg­inn hatte der Verteidige­r des Operateurs den Tod des Jungen als „tragischen Unglücksfa­ll“bezeichnet. Der Vater und die Mutter des Kindes sind Nebenkläge­r. Ihre Ehe ist seit mehreren Jahren geschieden. Weiterer Vorwurf der Staatsanwa­ltschaft: Die Praxis sei personell und apparativ nicht so ausgestatt­et gewesen, wie es die medizinisc­hen Standards vorsehen. Aus diesem Grund sei die Operation für den Jungen mit besonderen Risiken verbunden gewesen – darauf habe der Arzt den Vater bei der Patientena­ufklärung bewusst nicht aufmerksam gemacht. Der Vater hat seinen Angaben im Gericht zufolge keine Erinnerung­en mehr daran, wie Gespräche zur Aufklärung verliefen.

„Den Vorwurf unzureiche­nder Ausstattun­g macht die Staatsanwa­ltschaft daran fest, dass Nachblutun­gen zu den typischen Komplikati­onen bei solchen Operatione­n gehören“, hatte ein Gerichtssp­recher zu Prozessbeg­inn erklärt. „Dann kann sich Blut im Rachenraum sammeln und die Atmung behindern.“Deshalb müsse die Sauerstoff­sättigung des noch unter Narkose stehenden Patienten mit einem sogenannte­n Pulsoximet­er überwacht werden. Aber ein solches Messgerät sei im Aufwachrau­m laut Anklage nicht verwendet worden. Der Prozess wird am kommenden Mittwoch fortgesetz­t.

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Die beiden Angeklagte­n (hinten r. und vorne 3. v. l.) warten mit ihren Anwälten im Sitzungssa­al des Landgerich­ts auf den Beginn des Prozesses.

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