Hamburger Morgenpost

Tschüs, mein alter Hai

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Ich möchte mit dieser Kolumne Abschied nehmen von einem alten Freund. Gert Schlufter, Chef der Hamburger Haifisch Bar, ist nach schwerer Krankheit verstorben. Er wurde 75 Jahre alt.

Gert Schlufter war Sankt

Pauli. Direkte Ansage, pochendes Herz, man wusste stets, woran man war. Als er einmal sauer auf mich war – keine Ahnung, worum es ging – nahm er mich in den Arm. Er hob mich hoch und ließ mich nicht runter. Ich bin knapp 1,90 Meter groß und wiege mehr als 90 Kilo. Gert war einer, der für seine Freunde

da war. Hängen ließ er einen nur kurz.

Ich erinnere mich an sein Lachen, seine Sprüche und wenn er spät in der Nacht zum Mikrofon griff und dieses Lied von Bata Illic sang, so laut, dass es aus den Boxen schepperte. „Ohhh, Mi-cha-e-laaaa“. Als unser Buch „Orkanfahrt“mit Kapitänsge­schichten erschien, rief er mich an und lud die alten

Seeleute zu Astra und Labskaus ein. Gert hatte einst als Smut auf einem Frachter gearbeitet und seines war das beste, das ich in Hamburg gegessen habe. Die Nacht der alten Seeleute ist bis heute unvergessl­ich – der größte „Deckel“in der Geschichte von Ankerherz ist es auch.

Gert Schlufter und seiner Familie ist es zu verdanken, dass mit der Haifisch Bar eine der letzten

Oasen des alten Hafens erhalten blieb. Eine Art begehbares Seefahrtmu­seum mit Tresen, in dem Seeleute einst Tampen, einen ausgestopf­ten Hai oder ein Schiffsmod­el versetzten, um Bier und Köm zahlen zu können. Dass ein Fischer im Suff ein Beil in ein Ölgemälde warf, gehört auch zur Folklore.

Die Nachbarsch­aft ist längst schick geworden, mit Sushi, laktosefre­iem Coffee to go und anderem Schnicksch­nack. Die Haifisch Bar änderte sich nie. Als die Jukebox den Geist aufgab, wurde sie eben auf Digitalbet­rieb umgestellt. Der Funkelkast­en blieb an der Wand.

Zwei Jahre lang schrieb ich eine MOPO-Kolumne aus der Hafenbar. Hier traf Kapitän Schwandt den damaligen Hamburger Bürgermeis­ter Olaf Scholz

Geschichte­n vom Meer erzählt von Stefan Kruecken, Ankerherz

zum Gespräch. Einen Morgen kam ich mit einem anderen Freund vorbei, Massimo Giordano, dem italienisc­hen Startenor. Gert war stolz auf seinen Hai und seine Crew.

Wie verändert sich ein Stadtteil, wenn Originale wie Gert Schlufter gehen? Leben ist permanente­r Wandel, aber manche Lücken sind nicht dazu geeignet, gefüllt zu werden. In Zeiten von „System-Gastronomi­e“und Filialen irgendwelc­her Fernsehköc­he wird es nicht einfacher für einen Ort wie die Haifisch Bar. Ich wünsche Familie Schlufter und allen Mitarbeite­rn und Freunden im Hai viel Kraft in dieser traurigen Zeit. Erst vor wenigen Wochen verstarb Karin Schlufter, Gerts Frau. Farewell, mein alter Hai.

 ?? ?? Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet den Ankerherz Verlag (www.ankerherz. de). Vorher war er Polizeirep­orter für die „Chicago Tribune“und arbeitete als Reporter für Zeitschrif­ten wie „max“, „Stern“und „GQ“von Uganda bis Grönland. Zuletzt erschien das Buch „Überleben im Sturm“über die Retter der RNLI.
Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet den Ankerherz Verlag (www.ankerherz. de). Vorher war er Polizeirep­orter für die „Chicago Tribune“und arbeitete als Reporter für Zeitschrif­ten wie „max“, „Stern“und „GQ“von Uganda bis Grönland. Zuletzt erschien das Buch „Überleben im Sturm“über die Retter der RNLI.
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 ?? ?? Haifisch-Bar-Chef Gert Schlufter verstarb im Alter von 75 Jahren.
Haifisch-Bar-Chef Gert Schlufter verstarb im Alter von 75 Jahren.
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