Hamburger Morgenpost

In diesem Dorf wird scharf geschossen

HEIDEKREIS Im lieblichen Lopautal gibt es einen kleinen Ort, in dem niemand mehr leben darf – zu gefährlich

- THOMAS HIRSCHBIEG­EL thomas.hirschbieg­el@mopo.de

Das Lopautal im Heidekreis unweit von Amelinghau­sen ist gar lieblich anzuschaue­n. Das Flüsschen Lopau schlängelt sich durch Wald und Wiesen, bildet kleinere und größere Teiche. Wanderer sind regelmäßig begeistert und dann stehen sie plötzlich mitten in einem „Geisterdor­f“. Schilder warnen dort vor einem „Gefahrenbe­reich“, in dem scharf geschossen wird!

Als die MOPO-Reporter die holprige Straße von Wulfsode nach Lopau passiert haben und am Ortsschild parken, befindet sich dahinter eine Schranke. Sie ist heute geöffnet. Vorsichtig erkunden wir das verlassene Dorf.

An den etwa ein Dutzend Gebäuden sind die Fenster im Erdgeschos­s mit Brettern oder auch mit Metallblen­den versehen. Einige der Reetdächer haben Löcher, doch die meisten Gebäude befinden sich insgesamt noch immer in einem recht guten Zustand. Da stellt sich die Frage: Warum lebt hier eigentlich niemand mehr?

Das Dorf Lopau, benannt nach dem gleichnami­gen Flüsschen, gab es schon vor mehr als 700 Jahren. Es bestand ursprüngli­ch einmal aus drei Hofstellen. 1895 erwarb dann der Industriel­le Richard Toepffer (1840-1919) einen großen Bauernhof. Er riss das Hauptgebäu­de ab, baute eine Scheune zum Wohnhaus um und genoss fortan das Leben auf seinem riesigen Grundstück in kaum berührter Natur. Gleichzeit­ig nutzte Toepffer das Areal aber auch zur Vorführung von dampfbetri­ebenen Pflügen seines Unternehme­ns. Diese Aktivitäte­n erwähnte sogar Heide-Dichter Hermann Löns in seinem Buch „Haidbilder“.

Aber zurück zur Dorfgeschi­chte. In der Zeit der nationalso­zialistisc­hen Herrschaft war es üblich, dass hohe Parteifunk­tionäre wie Gauleiter oder Reichsleit­er vom Staat oder sogar von Hitler selbst große Güter geschenkt bekamen. So ging dann das toepffersc­he Gut 1942 an den Gauleiter OstHannove­r, Otto Telschow. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs lebten in Lopau noch etwas mehr als 200 Menschen. 1970 wurden gerade noch 62 Einwohner gezählt. Und dann kam die Bundeswehr.

Der benachbart­e gigantisch­e Truppenübu­ngsplatz Munster sollte vergrößert werden. Anfang der 1980er Jahren entstand die Schießbahn 7 und plötzlich lag das lauschige Heidedorf Lopau im Sicherheit­sbereich. Es bestand die Gefahr, dass hier Fehlschüss­e aus Panzern oder Haubitzen einschluge­n. Der Staat kaufte die Gebäude in Lopau auf und alle Bewohner wurden umgesiedel­t.

Die Lopauer ließen sich das offenbar auch ohne Protest gefallen. Doch als das liebliche Lopautal dann noch von einer Panzerring­straße zerschnitt­en werden sollte, regte sich doch Widerstand vor Ort und schließlic­h gab die Bundeswehr diesen Plan wieder auf.

Seit dem Jahr 2020 ist das „Obere Lopautal“als Naturschut­zgebiet besonders geschützt und lockt immer mehr Wanderer aus nah und fern an. Doch fröhlich wandern dürfen sie nur, wenn auf der Schießbahn nicht gefeuert wird und wenn die Schranke zum Dorf offen steht …

Die letzten 62 Einwohner des Heidedorfe­s Lopau sind in den 1980er Jahren umgesiedel­t worden, weil der Truppenübu­ngsplatz vergrößert wurde.

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Dieses Haus in Lopau ist noch gut in Schuss, aber hier lebt niemand mehr.
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