Die erste TransgenderAbgeordnete im Norden
Anna Langsch wurde als Mann geboren – und sorgt jetzt für eine Premiere im Landtag
Wenn Anna Langsch nach einem langen Arbeitstag runterkommen will, dann baut sie. Und zwar rein virtuell in einem PC-Spiel. „Da kann man wirklich klimaneutrale Städte bauen“, sagt die 39-Jährige und ist ganz begeistert. Im Landtag in Kiel hat die Grünen-Politikerin jetzt sogar die Möglichkeit, an der Klimapolitik eines ganzen Bundeslandes mitzuwirken.
Bei der Landtagswahl am 8. Mai gewann Langsch überraschend das Direktmandat im Wahlkreis Kiel-West. Sie ist die erste Trans-Abgeordnete in der Geschichte des Schleswig-Holsteinischen Landtags.
„Ich bin aber mehr als nur trans“, sagt die 39-Jährige. Aus ihrer persönlichen Geschichte macht sie keinen Hehl, geht offen damit um. „Denn es gehört zu meiner politischen Geschichte und war auch ein Teil meiner
Kandidatur. Das sei wichtig für Menschen, die sie gewählt hätten. Für die wolle sie sich im Landtag einsetzen. „Ich kann nicht sagen, jetzt bin ich Abgeordnete und rede da nicht mehr drüber.“
Das Mandat für Langsch bedeute einen wichtigen Beitrag für die Sichtbarkeit des Themas, sagte Julia Monro von der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität. Vor 30 Jahren sei eine solche erfolgreiche Kandidatur noch undenkbar gewesen. „Das trägt auf jeden Fall zur Normalität bei.“Hinter ihrer Kandidatur stecke „ungeheurer Mut“. Grünen-Landeschef Steffen Regis lobt Langsch als „starke Persönlichkeit“, die nicht nur mit großer Überzeugung für Queer-Rechte eintrete, sondern dabei auch sehr überzeugend sei. „Mit ihrer großen Willensstärke und als verlässliche Teamspielerin bereichert sie unser Grünes Team im Landtag.“Für die Grünen verhandelt Langsch derzeit im Bereich Soziales über die geplante schwarz-grüne Koalition unter Führung von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) mit. Im Landtag will Langsch dazu beitragen, mehr Akzeptanz für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt zu schaffen. „Trans erzeugt große Sichtbarkeit, das will ich nutzen, denn beim Thema geschlechtlicher Vielfalt
sind wir 30 Jahre hinter der schwul-lesbischen Bewegung.“
Langsch wurde als Mann geboren. Bis zu ihrem Outing 2014 sei sie jahrelang für ihre langen Haare gehänselt worden, sagt Langsch. „Einen Tag nachdem ich mich als trans-weiblich geoutet habe, bekam ich auf einmal Komplimente für dieselben Haare.“Die Menschen setzten dann „eine andere Brille auf, mit der sie dich lesen“. Ebenso wichtig sind der Norddeutschen der Umweltschutz und die Verkehrswende. „Wer Straßen sät, wird Autos ernten“, sagt Langsch. Ihren VW-Bus hat sie bereits vor 20 Jahren verkauft, ist seitdem mit dem Rennrad unterwegs. Auch längere Strecken. „100 Kilometer sind machbar, das habe ich schon geschafft.“Joggen sei ihr zu langweilig, beim Radfahren entspanne sie besser. Oder bei als anspruchsvoll geltenden Rollenspielen wie der „Dark Souls“-VideospielReihe. „Dafür muss man frustresistent sein“, sagt Langsch. Wie in der Politik zuweilen.