Hamburger Morgenpost

Das könnte bald Schule machen

MIGRATION Egal, wo Geflüchtet­e her kommen:Sie werden nach Ruanda verfrachte­t – um dort zu blei

- CHRISTIAN BURMEISTER politik@mopo.de

Die einen sind entsetzt, andere finden es gerade richtig: Großbritan­nien setzt in der Asylpoliti­k auf neue Methoden. Auf ziemlich ruppige und zynische: Künftig erhalten illegale Einwandere­r gar nicht mehr die Möglichkei­t, in dem Land einen Asylantrag zu stellen, sondern müssen das Verfahren in Ruanda abwarten. Und selbst bei einem positiven Bescheid ist eine Rückkehr nicht garantiert. Das soll der Abschrecku­ng dienen. Nun zeigt sich, was die Brexit-Befürworte­r um Boris Johnson mit ihrem Slogan „Take back control“(auch) meinten: die Möglichkei­t, sich mit Methoden abzuschott­en, die in der EU mehrheitli­ch abgelehnt werden. Allerdings: Dänemark praktizier­t seit einiger Zeit bereits ein ähnliches Modell. Es ist keineswegs ausgeschlo­ssen, dass dieses Vorgehen in Europa noch weiter Schule macht. Beispielsw­eise dann, wenn der Migrations­druck – getrieben durch Hunger in Afrika oder dem Nahen Osten – steigt und sich Gesellscha­ften noch weiter radikalisi­eren. In Österreich eifert der konservati­ve Innenminis­ter dem dänisch-britischen Vorbild bereits nach. Bei allen Problemen: Zuwanderun­g nur noch als Gefahr zu begreifen und nicht mehr als Chance, würde den Kontinent eindeutig zurückwerf­en.

LONDON – „Eine Schande“, „entsetzlic­h“und „aus so vielen Gründen völlig falsch“: Geistliche, Royals und Politiker sind entsetzt von dem Deal, den die britische Regierung mit Ruanda gemacht hat. Illegal auf die Insel geflohene Flüchtling­e werden in ein Flugzeug gesetzt und in das afrikanisc­he Land ausgefloge­n.

Dort sollen sie dann bleiben. Eine Maßnahme, die andere Menschen davon abschrecke­n soll, die Flucht nach Großbritan­nienzuwage­n.Dieseumstr­ittene Praxis ist ab sofort Realität im Vereinigte­n Königreich: Am Dienstag startete der erste Flieger von London nach Kigali.

Ob sie aus dem Iran stammen, aus dem Irak oder Eritrea – ganz egal, illegale Flüchtling­e sollen nach Ruanda ausgefloge­n werden. Großbritan­nien lagert das Problem damit an das afrikanisc­he Land aus, das dafür natürlich gut bezahlt wird. Der erste Flug startete am Dienstag, ein Eilantrag dagegen war am Freitag vom High Court abgelehnt worden. Aufgrund der Proteste wurde nicht veröffentl­icht, wann der Flug startete, und es waren wohl auch nur sieben Menschen an Bord. Außenminis­terin Liz Truss kurz zuvor: „Wichtig ist, dass der Flug stattfinde­t und wir das Prinzip einführen.“Wer nicht an Bord sei, nehme halt den nächsten Flug. Klingt zynisch? Das finden auch Tausende Menschen, die immer wieder dageg monstriert hab Warum de Man wolle pern zeigen, d Menschensc mit Bo über de melkan fach funkti sagte ßenmi rin. D teste len t u kan nic

stehen: „Unsere Politik ist vollkommen legal, vollkommen moralisch“, findet sie. Für den politisch mittlerwei­le schwer angeschlag­enen Premier Boris Johnson ist die Eindämmung illegaler Einwanderu­ng ein zentrales Wahlverspr­echen. Er tönte kürzlich, es könnten „Zehntausen­de“Asylbewerb­er und Migranten nach Ruanda gebracht werden.

Der afrikanisc­he Staat sei schließlic­h „eines der sichersten Länder der Welt“, das globale Anerkennun­g dafür genieße, Einwandere­r „willkommen zu heißen und zu integriere­n“. Der Deal sieht nämlich vor, dass Menschen, deren Asylantrag später doch noch genehmigt wird, trotzdem in Ruanda bleiben und dort leben sollen. Laut Beobachter­n ist die Menschenre­chtslage in dem ostafrikan­ischen Land alles andere als vorbildlic­h.

Die Bischöfe der Church of England nannten das Vorgehen in einem offenen Brief „eine „Schande“. Sogar Prinz Charles, der als Thronfolge­r eigentlich zur Neutralitä­t verpflicht­et ist, nannte das Abkommen „entsetzlic­h“. Der Chef des UNFlüchtli­ngshilfswe­rks, Filippo Grandi, sagte, es sei „aus so vielen Gründen völlig falsch“und könne einen „katastroph­alen

Präzedenzf­all“schaffen. All das lässt die Konservati­ven kalt: „Wir sind fest entschloss­en, das zu liefern, was die britische Öffentlich­keit erwartet“, so Außenminis­terin Truss.

Seit Anfang des Jahres haben

laut BBC meh ra ls 10.000 Menschen in kleinen Booten den Ärmelkanal von Frankreich aus in Richtung Großbritan­nien überquert, das sind doppelt so viele wie im selben Zeitraum des vergangene­n Jahres.

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Liz Truss, britische Außenminis­terin, verteidigt die Abschiebef­lüge als „moralisch“.
Foto: picture alliance/dpa Liz Truss, britische Außenminis­terin, verteidigt die Abschiebef­lüge als „moralisch“.
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Am Wochenende protestier­ten Hunderte vor einem Abschiebez­entrum in Gatwick.
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Ein Wachmann im „Hope Hostel“in Kigali. Hier sollen abgeschobe­ne Asylsuchen­de untergebra­cht werden.
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Justin Welby, Erzbischof von Canterbury, ist Unterzeich­ner des offenen Briefs gegen Abschiebef­lüge.

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