Zehn Minuten mit dem Rad durch Hamburg — und ich dreh durch!
SELBSTVERSUCH Die Stadt setzt auf das Rad als Verkehrsmittel der Zukunft. In der Gegenwart erfordert das starke Nerven
Die MOPO-Reporterin benutzt das Rad zwar manchmal, um Freunde zu besuchen. Aber so richtig wohl fühlt sie sich im quirligen Straßenverkehr auf dem Drahtesel nicht. Sie hat es trotzdem gewagt – und hatte schnell die Nase voll.
Kaum losgefahren, schon das erste Hindernis: Vier Jugendliche gehen nebeneinander, blockieren Fußund Radweg. Mist! Ich bin auf der Schanzenstraße (Sternschanze) unterwegs. Ein rot gepflasterter dünner Streifen trennt Radfahrer:innen von Fußgänger:innen. Die vier haben nicht mal gemerkt, dass sie ein Hindernis sind. Zweimal muss ich klingeln, bis sie Platz machen. „Radweg, Mann!“, pöbele ich die jungen Leute an. Wenig später blockiert eine Mülltonne meine Fahrbahn. Am liebsten würde ich auf der Straße weiterfahren. Aber da wäre dann ich diejenige, die im Wege ist. Zwar sei das Blockieren von Radwegen durch Gegenstände oder Autos verboten und werde mit Bußgeldern geahndet, aber laut ADFC-Sprecher Dirk Lau werde „diese Vorschrift selbst von den Kollegen der Stadtreinigung nicht wirklich beachtet“. Wenig später hat ein Paketzusteller sein Auto halb auf der Straße, halb auf dem Radweg abgestellt – ich mache eine wegwerfende Handbewegung. Als Nächstes steht mir ein Taxi im Weg: Der Fahrer lässt einen Fahrgast aussteigen – und zwingt mich zum Ausweichmanöver. Ich schäume vor Wut.
Bei den Messehallen (Karolinenviertel) sind gleich sechs Autos hintereinander auf dem Fahrradstreifen
abgestellt, der hier rot markiert und nicht zu übersehen ist. Ich muss auf den Fußgängerweg ausweichen und mich an einer mehrköpfigen Familie vorbeimanövrieren. Plötzlich höre ich wütende Stimmen hinter mir: „Unerhört! Diese Radfahrer!“
„Die Radwege müssen intuitiv, sicher und komfortabel zu befahren sein, und zwar für alle Menschen, für Kinder und Jugendliche genauso wie für ältere oder womöglich noch ungeübte Radfahrer:innen“, fordert Lau. „Mit den Pop-up-Bikelanes, die inzwischen erfolgreich evaluiert wurden, kennt die Hamburger Verkehrsbehörde zwar das Mittel, um schnell und kostengünstig sicheren Radverkehr zu ermöglichen, setzt es aber bisher einfach nicht großflächig ein.“Lau sagt, dass die Fahrradlobby vor einem Jahr der Behörde zehn für den Radverkehr wichtige Straßen benannt habe, die noch keine Radinfrastruktur haben und bei denen eine Lösung möglich wäre. Und? Nichts sei passiert. Die Bemühungen der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende seien zwar positiv, aber nicht ausreichend. Ich habe genug für heute. Zurück fahre ich auf dem Pop-upFahrradweg zwischen Bahnhof Schlump und Hoheluftchaussee – die angenehmste Strecke bisher. Keine Fußgänger:innen, klare Trennung von Geh- und Radweg und keine parkenden Autos oder Gegenstände, denen ich ausweichen muss. So macht Radfahren Spaß.
Radwege müssen intuitiv, sicher und komfortabel zu befahren sein. Dirk Lau, ADFC