„Wie rassistisch ist die Polizei?“Warum schon diese Frage für Ärger sorgt
ANALYSE Gibt es ein ungelöstes Problem mit „Racial Profiling“, das nicht angetastet werden soll? Das vermutet jedenfalls die Grüne Jugend – nachdem eine Studie zum Thema abgelehnt wurde
Will sich die Hamburger Polizei nicht mit Rassismus in den eigenen Reihen auseinandersetzen? Das vermutet zumindest die Grüne Jugend. Sie kritisiert die Ablehnung der „Rassismus-Studie“DeWePol durch den Personalrat und die Polizeigewerkschaften und wirft ihnen fehlendes Problembewusstsein vor. Die Polizeivertreter fühlen sich dagegen pauschal verunglimpft – und fordern etwas ganz anderes.
„Die Polizei muss akzeptieren, dass sie ein Teil einer strukturell rassistischen Gesellschaft ist und dass sie mit dem Gewaltmonopol eine besondere Verantwortung hat, diesen Rassismus zu überwinden“, heißt es von der Grünen Jugend. Die Studien Megavo (deutschlandweit) und DeWePol (Hamburg) sollen wissenschaftlich belegen, „wie rassistisch die Polizei ist, um dem strukturellen Rassismus in der Polizei zu begegnen“. Die Formulierung zeigt: Man geht bereits von grundlegendem Rassismus in den Reihen der Polizei aus. Die Hamburger Polizeigewerkschaften kritisieren die Studien und lehnen die Teilnahme ab – unter ihnen auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP).
Ein Hauptargument der GdP gegen die Studie ist der unzureichende Datenschutz. Natürlich: Die Studie ist offiziell anonym. Dadurch soll gewährleistet werden, dass jeder ehrlich und gefahrlos antworten kann. Doch aufgrund der kleinteiligen Fragen ist dennoch leicht festzustellen, um welchen Kollegen es sich handelt, sagt Lars Osburg, stellvertretender Vorsitzender der GdP. „So gibt es zum Beispiel in der Bereitschaftspolizei sehr wenige Frauen in Führungspositionen. Durch die Abfrage der vorherigen Dienststellen ist ein Rückschluss auf die einzelne Beamtin problemlos möglich“, erklärt Osburg. Doch auch bei den männlichen Führungskräften könne der Fragebogen anhand der Wechsel von Dienststellen den jeweiligen Personen zugeordnet werden. Ein Problem, das man bereits in Vorgesprächen angesprochen habe. Ohne Erfolg.
Wer den Befürwortern und den Kritikern der RassismusStudien zuhört, bekommt den Eindruck: Hier stehen sich zwei Seiten gegenüber, die einander nicht verstehen. Für die Wissenschaftler ist solch eine Untersuchung ganz normal, sie können den Widerstand aus den Reihen der Polizei nicht nachvollziehen. Dort wiederum fühlt man sich von Leuten, die von der eigenen Tätigkeit in einem schwierigen Umfeld wenig verstehen, mit zum Teil irreführenden Fragen pauschal als Rassist verunglimpft. Die einen wollen Erkenntnisse gewinnen, die anderen haben Angst, in eine Ecke gedrängt zu werden.
„In der Studie werden den Befragten zum Beispiel Fotos gezeigt und gefragt, welche der abgebildeten Personen potenziell bedrohlich erscheint. Frauen werden auf den Bildern nicht gezeigt, dabei sind Frauen im polizeilichen Alltag durchaus Personen, von denen eine Gefahr ausgehen kann“, so Osburg. „Diese Feststellung mag nicht dem Weltbild der Urheber der Studie entsprechen, ist aber polizeilicher Alltag.“
Ein Vorwurf, der immer wieder gegen die Polizei erhoben wird, ist das „Racial Profiling“. Bedeutet: Eine Person gerät nur in eine Polizeikontrolle aufgrund ihrer Herkunft und Hautfarbe. Die Hamburger Polizei wies diesen Vorwurf stets von sich. Zuletzt bekam sie durch ein Urteil, das für Aufsehen sorgte, Rückendeckung: Ein Mann hatte gegen wiederholte Personalkontrollen an seinem Wohnort auf St. Pauli geklagt. Seine Vermutung: Er werde nur wegen seiner Hautfarbe ständig angehalten. Das Verwaltungsgericht gab ihm zunächst recht: Die Polizei darf auch an einem „gefährlichen Ort“wie der Balduintreppe, an dem bekanntermaßen mit Drogen gehandelt wird, nicht einfach so Passanten kontrollieren. Die Innenbehörde ging in Berufung und hatte Erfolg.
Klar ist: Polizeieinsätze finden hauptsächlich dort statt, wo es Probleme gibt. Beamte rücken an bei Diebstahl, Raub, Drogendelikten, Schlägereien, Vergewaltigungen, Totschlag und Mord. Ausländer sind auf vielen Deliktfeldern deutlich überrepräsentiert, zumindest bei
Ein Rückschluss auf die einzelne Beamtin ist problemlos möglich.
Lars Osburg, GdP
den erfassten Tatverdächtigen. Es ist leicht vorstellbar, dass es einen Menschen prägt, wenn er als Polizist ständig mit diesen Straftaten konfrontiert und in den immer gleichen Milieus unterwegs ist. Wer beispielsweise für Kontrollen an der Hafentreppe zuständig ist, nimmt dort zwangsläufig schwarze Dealer hoch. Der Grund ist simpel: Es ist ihr Revier. Das bedeutet natürlich nicht, dass Weiße nicht dealen. Man findet sie nur an anderen Orten.
Führen diese Einsätze zu Radikalisierungen? Sind sie der Grund für die rechtsradikalen und rassistischen Vorfälle, die deutschlandweit immer wieder aufgedeckt werden? Und noch wichtiger, wie können Radikalisierungen untersucht, erkannt und bekämpft werden?
Die GdP lehnt eine „Rassismus-Studie“ab, schlägt stattdessen jedoch eine Belastungsstudie vor. Denn: Auf die persönliche Belastung der Polizeikräfte und „fortwährende Negativerfahrungen des Polizeiberufs“werde in der jetzigen Studie kaum bis gar nicht eingegangen. Dabei lohne es sich zu erforschen, „ob und wodurch sich Weltbilder von Polizeibeschäftigten infolge des beruflichen Alltages verändern“, sagt Osburg. Auf die Erkenntnisse der Studie müssten dann jedoch auch politische Handlungen folgen. „Einer negativen Einstellungsentwicklung kann begegnet werden, zum Beispiel durch gute Arbeitsbedingungen, Zeiten der Regeneration, ausreichendes Personal, berufliche Perspektiven und politischen Rückhalt.“
Die Betroffenen von rassistischen Kontrollen und Übergriffen und ihre Unterstützer dürften sich damit jedoch nicht zufriedengeben.