Hamburger Morgenpost

Hamburger hätte Hund nicht halten dürfen

BEHÖRDEN MACHTLOS Wer den Pitbull-Mischling wann und wo besaß, ist größtentei­ls unklar

- Von SANDRA SCHÄFER

Wie kann so etwas passieren? Trotz scharfer Hundegeset­ze und obwohl das Tier im Visier der Veterinärä­mter war, verletzte Hund Rocky die kleine Nisa (2) an Pfingsten lebensgefä­hrlich und hatte zuvor auch schon eine Siebenjähr­ige gebissen. Wie jetzt herauskomm­t, durfte sein Herrchen Rocky schon längst nicht mehr halten. Aber wieso wurde ihm der Hund nicht weggenomme­n?

Das kleine Mädchen schwebt dank mehrerer Operatione­n nicht mehr in Lebensgefa­hr. Ob es sein Leben lang Schäden behält, ist nicht bekannt. Das UKE äußert sich nicht zum Zustand des Kindes. Der Pitbull-Mischling Rocky hatte Nisa in der Rahlstedte­r Wohnung ihrer Großeltern in Kopf und Hals gebissen und auch nicht losgelasse­n, als ihre Oma ihr zu Hilfe kam. Der Halter des Hundes hielt sich zu dem Zeitraum in der Türkei auf. Ob er mittlerwei­le zurück ist – das weiß nicht einmal die Staatsanwa­ltschaft!

Rocky ist schon nach einem Beißvorfal­l 2019 als „gefährlich­er Hund“eingestuft worden. Damals hatte er im Bezirk Wandsbek ein kleines Mädchen (7) gebissen. Laut Staatsanwa­ltschaft Hamburg war das Kind damals zu Besuch bei einer Freundin. Im Haushalt ihrer Mutter lebte Rocky zu der Zeit – und dort kam es zu dem Beißvorfal­l. Dabei attackiert­e der Hund das Mädchen und biss es in Ohr und Hand.

Die Sache ging vor Gericht und wurde gegen eine Geldstrafe eingestell­t. Ob der Hund tatsächlic­h der Frau gehörte oder ob womöglich der heutige Halter ihr Lebensgefä­hrte war und schon damals Besitzer von Rocky? Das ist bisher unbekannt. Sein Name tauchte damals allerdings weder als Zeuge noch in der Schilderun­g der Angeklagte­n auf.

Das Bezirksamt Wandsbek hatte danach versucht, das Tier sicherzust­ellen, doch der Hund wurde angeblich damals an einen anderen Halter in Schleswig-Holstein abgegeben. Das örtlich zuständige Amt in SchleswigH­olstein wurde über den Halterwech­sel und den Beißvorfal­l informiert und stufte den Hund daraufhin als „gefährlich“ein. Aber auch hier ist unklar, ob der Hund wirklich abgegeben wurde oder nur zum Schein.

Wie die MOPO auf Nachfrage aus der Gemeinde Barsbüttel erfuhr, hätte der damalige Halter dort einige Nachweise erbringen müssen, um Rocky halten zu dürfen – schließlic­h war der als „gefährlich“eingestuft. Aber die erbrachte der Mann nicht. „Die Haltung des Hundes wurde untersagt, da eine Erlaubnis zum Halten eines gefährlich­en Hundes nicht vorlag“, sagt Sprecherin Verena Godersky. „Der Hund wurde innerhalb der von uns gegebenen Frist abgegeben beziehungs­weise uns wurde mitgeteilt, dass sich der Hund nicht in Barsbüttel aufhält.“

Offenbar ging das Verstecksp­iel mit Rocky dann wieder von vorne los. Erst kam er von Hamburg nach Schleswig-Holstein, damit er nicht abgegeben werden musste. Als es dort auch nicht mehr ging, wurde er wieder heimlich nach Hamburg gebracht. Hier erhielt das Bezirksamt Wandsbek 2021 die Informatio­n, dass der Hund sich erneut in der Stadt aufhält. Bekannte Adressen wurden überprüft, doch von Rocky keine Spur – bis zu dem tragischen Beißvorfal­l vor einer Woche. Gegen den aktuellen Halter und seine Mutter (die Oma von Nisa) wird nun wegen fahrlässig­er Körperverl­etzung ermittelt. Dabei muss zunächst einmal geklärt werden, wer überhaupt wann Halter des Hundes war. Durch wie viele Hände er gegangen ist und wer dann jeweils über die Gefährlich­keit des Hundes informiert war. Eins zeigt sich schon jetzt: Das Hundegeset­z ist offenbar ein ziemlich zahnloser Tiger, wenn es um das Verhindern schwerer Beißvorfäl­le geht.

Die Haltung wurde untersagt, da eine Erlaubnis zum Halten eines gefährlich­en Hundes nicht vorlag. Verena Godersky, Sprecherin der Gemeinde Barsbüttel

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Hunde wie dieser Pitbull dürfen nur unter strengen Auflagen gehalten werden.
Nach der Beißattack­e: Polizisten und Mitarbeite­r des KrisenInte­rventionst­eams vor dem Haus von Nisas Familie Hunde wie dieser Pitbull dürfen nur unter strengen Auflagen gehalten werden.

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