Hamburger Morgenpost

Mord im Dschungel: „Horror und Dunkelheit beherrsche­n Brasilien“

KRIMINALIT­ÄT Team wird Recherche im gefährlich­en Amazonasge­biet wohl zum Verhängnis

-

ATALAIA DO NORTE – Elf Tage lang bangten die Angehörige­n um den britischen Journalist­en Dom Phillips und seinen Begleiter Bruno Pereira, die auf einem Recherche-Trip im abgelegene­n hochgefähr­lichen Amazonasge­biet Brasiliens verschwand­en. Nun deutet alles auf Mord hin. Die Männer wollten Ungerechti­gkeiten in der Region ans Licht bringen – und bezahlten dies am Ende offenbar mit dem Leben.

Einer der zwei festgenomm­enen Verdächtig­en, der Fischer und Bruder des anderen mutmaßlich­en Täters ist, gestand bereits, am Mord der beiden Männer beteiligt gewesen zu sein – und führte die Beamten zu den „menschlich­en Überresten“, die er in einem schwer zugänglich­en Gebiet des Amazonas-Regenwalde­s vergraben hatte.

Noch ist unklar, wie genau Phillips, der seit 2007 in Brasilien lebte und als freier Journalist unter anderem für den britischen „Guardian“und die „Washington Post“schrieb, und Pereira, der als erstklassi­ger Experte und Schützer für indigene Völker galt, zu Tode kamen. Die Ermittler gehen davon aus, dass sie erschossen wurden. Einige Medien berichten davon, dass die Leichen anschließe­nd zerstückel­t worden seien.

Die beiden Männer waren nach Angaben einer regionalen Ureinwohne­r-Organisati­on nicht wie geplant am 5. Juni mit dem Boot in der Stadt Atalaia do Norte angekommen. Zuvor hatte Pereira bei der Polizei gemeldet, mehrmals bedroht worden zu sein. Gut eine Woche nach dem Verschwind­en der Männer waren laut Medien persönlich­e Gegenständ­e von ihnen gefunden worden. Zudem wurde ein Boot mit Blutspuren entdeckt, später dann laut Polizeiber­icht „schwimmend­e menschlich­e Organteile“.

Das Recherche-Team war im brasiliani­schen JavariTal, um für ein Buch über Gewalt gegen Indigene und einen nachhaltig­en Schutz des Regenwalde­s zu recherchie­ren. Zudem hatte Phillips dortige illegale Machenscha­ften für die Behörden aufgezeich­net. Das JavariTal ist eines der größten indigenen Gebiete Brasiliens, in dem viele Indigene isoliert leben.

Das Grenzgebie­t zu Peru und Kolumbien ist durch illegale Goldsuche, Abholzung, Jagd und illegalen Fischfang sowie Drogenschm­uggel zudem besonders gefährlich und konfliktre­ich. Eine Region, in der eigene Gesetze gelten und ausländisc­he Störenfrie­de zum Schweigen gebracht werden. Der Nichtregie­rungsorgan­isation Global Witness zufolge war Brasilien im Jahr 2020 das viertgefäh­rlichste Land für Umweltschü­tzer, 20 Naturschüt­zer und Umweltakti­visten wurden getötet. Mehrere Journalist­envereinig­ungen, darunter Reporter ohne

Grenzen, veröffentl­ichten ein Statement, in dem es heißt: „Wir akzeptiere­n nicht, dass der Horror und die Dunkelheit Brasilien beherrsche­n. Brasilien ist kein Abenteuer!“Greenpeace Brasilien schrieb: „Wie lange werden wir noch eine Regierung tolerieren, die diese Verbrechen duldet?“Denn: Der Mord an Phillips und Pereira ist auch Ergebnis einer gewissen Rechtlosig­keit, die Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro in der Amazonasre­gion walten lässt. Seit Amtsantrit­t ermutigt er immer wieder kriminelle Gruppen, etwa illegale Goldgräber, in indigene Reservate und Umweltschu­tzgebiete vorzudring­en. Ureinwohne­rn will er hingegen Schutzgebi­ete wegnehmen und sie wirtschaft­lich und höchst klimaschäd­lich ausbeuten. Außerdem: Umweltschü­tzer und Journalist­en werden regelmäßig von ihm beschimpft und lächerlich gemacht.

 ?? ??
 ?? ?? Die Leichen der beiden Männer wurden vergraben in einem schwer zugänglich­en Bereich des Amazonasge­bietes gefunden.
Die Leichen der beiden Männer wurden vergraben in einem schwer zugänglich­en Bereich des Amazonasge­bietes gefunden.
 ?? ?? Suche mit tragischem Ende: Dom Phillips (l.) und Bruno Pereira wurden tagelang vermisst.
Suche mit tragischem Ende: Dom Phillips (l.) und Bruno Pereira wurden tagelang vermisst.

Newspapers in German

Newspapers from Germany