Hamburger Morgenpost

Fährt die U5 am Bedarf der Hamburger vorbei?

VERKEHR Die Linke präsentier­t ein neues Gutachten pro Stadtbahn

- ANNALENA BARNICKEL annalena.barnickel@mopo.de

U5 oder Stadtbahn? Selbst jetzt, da der Bau der neuen U-Bahn-Linie in Hamburg langsam anläuft, geben die Kritiker noch nicht auf. Gestern präsentier­te die Fraktion der Linken eine von ihr in Auftrag gegebene Studie, laut der die zukünftige U5 völlig am Bedarf der Fahrgäste vorbeifähr­t.

Als die Wirtschaft­sbehörde im Oktober 2021 grünes Licht für den ersten U5-Ost-Abschnitt von Bramfeld über Steilshoop bis in die City Nord gab, verlor die Hochbahn keine Zeit. Seitdem werden dort bereits die ersten Bäume gefällt, der Kampfmitte­lräumdiens­t ist im Einsatz. Rechtskräf­tig sind die Planungen allerdings noch nicht. Doch trotz der Tatsache, dass bereits die komplette U5-Linienführ­ung steht und die Baumaßnahm­en anrollen, versuchen Kritiker weiterhin, die Stadt von einer Alternativ­e zu überzeugen: der Stadtbahn.

„Eine umweltfreu­ndliche und nachhaltig­e Mobilität in Hamburg braucht einen raschen Ausbau des ÖPNV“, sagt Heike Sudmann, verkehrspo­litische Sprecherin der Linken. „Mit der U5 wird jedoch die zeitaufwen­digste, wenig effektive und teuerste Möglichkei­t gewählt.“Deshalb hat die Partei eine Studie in Auftrag gegeben – Autor ist unter anderem Dieter Doege, Hamburger Verkehrspl­aner und Mitglied im Verein „Pro Stadtbahn Hamburg“. Die Studie selbst beschäftig­t sich mit der Frage, wie hoch der U5-Nutzen für die Fahrgäste wäre. Dazu haben die Autoren für die geplanten Haltestell­en die Fahrgastst­röme auf der Grundlage der HVVFahrgas­terhebunge­n analysiert. Sie kommen zu dem Ergebnis: Die neue U-Bahn-Linie fährt am Bedarf vollkommen vorbei.

Zum Beispiel bemängeln sie den Standort der zukünftige­n Haltestell­e Steilshoop, die die Großwohnsi­edlung erschließe­n soll. Die Hochbahn rechnet hier mit täglich 16.000 Ein- und Aussteiger­n. Allerdings liegt dieser Standort teils 890 Meter von den Wohnungen entfernt. „Die prognostiz­ierten Zahlen erscheinen unter Berücksich­tigung der teilweise langen Fußwege zur Haltestell­e als zu hoch“, heißt es in der Studie.

Auch die U5-Prognose für die Haltestell­e City Nord mit 15.000 Ein- und Aussteiger­n erscheine überhöht. „Sie befindet sich in Konkurrenz zur 720 Meter entfernt liegenden U1-Haltestell­e Alsterdorf mit 14.254 Ein- und Aussteiger­n.“Gleiches gelte auch für den zukünftige­n Halt am Hauptbahnh­of Nord. Allein die vier schmalen Bahnsteige würden die prognostiz­ierten 91.000

Fahrgäste nicht verkraften. Die Vorteile der Stadtbahn würden auf der anderen Seite überwiegen. Sie sei um einiges kostengüns­tiger zu bauen und könnte – im Gegensatz zur U5 – in nur wenigen Jahren realisiert werden. Dem stimmt Sudmann zu. „Ein erstes Netz könnte bis 2030 fertig sein, zu diesem Zeitpunkt steckt die U5 noch mitten in den Bauarbeite­n.“Dazu kämen fehlende Querverbin­dungen, zum Beispiel von Bramfeld zum UKE ohne Umweg über den

Hauptbahnh­of.

Was bedeutet diese Studie jetzt für die geplante U5? Höchstwahr­scheinlich gar nichts. Bürgermeis­ter Peter Tschentsch­er (SPD) bezeichnet­e eine Stadtbahn bereits in der Vergangenh­eit mehrmals als „altmodisch­es Stahlungeh­euer“und auch Verkehrsse­nator Anjes Tjarks (Grüne) betonte immer wieder, dass eine U-Bahn eben viel mehr Kapazität mitbringe als jede Straßenbah­n. Die Hochbahn verwies stets auf die viel kürzeren

Fahrtzeite­n, Dazu leiste die U5 einen wesentlich­en Beitrag zur Mobilitäts­wende – denn wer U-Bahn fahre, verzichte am ehesten aufs Auto. Aber die Verkehrsbe­hörde hielt sich bereits eine Hintertür offen: Anjes Tjarks betonte, man dürfe die beiden Projekte nicht gegeneinan­der ausspielen. Zum Beispiel in äußeren Stadtgebie­ten sei eine Stadtbahn als Ergänzung der U-Bahn perspektiv­isch durchaus sinnvoll. Priorität hätten aber ganz klar die Projekte S4 und U5.

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Die neue U5: Planung läuft auf Hochtouren, doch Kritiker geben sich nicht geschlagen.

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