Fährt die U5 am Bedarf der Hamburger vorbei?
VERKEHR Die Linke präsentiert ein neues Gutachten pro Stadtbahn
U5 oder Stadtbahn? Selbst jetzt, da der Bau der neuen U-Bahn-Linie in Hamburg langsam anläuft, geben die Kritiker noch nicht auf. Gestern präsentierte die Fraktion der Linken eine von ihr in Auftrag gegebene Studie, laut der die zukünftige U5 völlig am Bedarf der Fahrgäste vorbeifährt.
Als die Wirtschaftsbehörde im Oktober 2021 grünes Licht für den ersten U5-Ost-Abschnitt von Bramfeld über Steilshoop bis in die City Nord gab, verlor die Hochbahn keine Zeit. Seitdem werden dort bereits die ersten Bäume gefällt, der Kampfmittelräumdienst ist im Einsatz. Rechtskräftig sind die Planungen allerdings noch nicht. Doch trotz der Tatsache, dass bereits die komplette U5-Linienführung steht und die Baumaßnahmen anrollen, versuchen Kritiker weiterhin, die Stadt von einer Alternative zu überzeugen: der Stadtbahn.
„Eine umweltfreundliche und nachhaltige Mobilität in Hamburg braucht einen raschen Ausbau des ÖPNV“, sagt Heike Sudmann, verkehrspolitische Sprecherin der Linken. „Mit der U5 wird jedoch die zeitaufwendigste, wenig effektive und teuerste Möglichkeit gewählt.“Deshalb hat die Partei eine Studie in Auftrag gegeben – Autor ist unter anderem Dieter Doege, Hamburger Verkehrsplaner und Mitglied im Verein „Pro Stadtbahn Hamburg“. Die Studie selbst beschäftigt sich mit der Frage, wie hoch der U5-Nutzen für die Fahrgäste wäre. Dazu haben die Autoren für die geplanten Haltestellen die Fahrgastströme auf der Grundlage der HVVFahrgasterhebungen analysiert. Sie kommen zu dem Ergebnis: Die neue U-Bahn-Linie fährt am Bedarf vollkommen vorbei.
Zum Beispiel bemängeln sie den Standort der zukünftigen Haltestelle Steilshoop, die die Großwohnsiedlung erschließen soll. Die Hochbahn rechnet hier mit täglich 16.000 Ein- und Aussteigern. Allerdings liegt dieser Standort teils 890 Meter von den Wohnungen entfernt. „Die prognostizierten Zahlen erscheinen unter Berücksichtigung der teilweise langen Fußwege zur Haltestelle als zu hoch“, heißt es in der Studie.
Auch die U5-Prognose für die Haltestelle City Nord mit 15.000 Ein- und Aussteigern erscheine überhöht. „Sie befindet sich in Konkurrenz zur 720 Meter entfernt liegenden U1-Haltestelle Alsterdorf mit 14.254 Ein- und Aussteigern.“Gleiches gelte auch für den zukünftigen Halt am Hauptbahnhof Nord. Allein die vier schmalen Bahnsteige würden die prognostizierten 91.000
Fahrgäste nicht verkraften. Die Vorteile der Stadtbahn würden auf der anderen Seite überwiegen. Sie sei um einiges kostengünstiger zu bauen und könnte – im Gegensatz zur U5 – in nur wenigen Jahren realisiert werden. Dem stimmt Sudmann zu. „Ein erstes Netz könnte bis 2030 fertig sein, zu diesem Zeitpunkt steckt die U5 noch mitten in den Bauarbeiten.“Dazu kämen fehlende Querverbindungen, zum Beispiel von Bramfeld zum UKE ohne Umweg über den
Hauptbahnhof.
Was bedeutet diese Studie jetzt für die geplante U5? Höchstwahrscheinlich gar nichts. Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) bezeichnete eine Stadtbahn bereits in der Vergangenheit mehrmals als „altmodisches Stahlungeheuer“und auch Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) betonte immer wieder, dass eine U-Bahn eben viel mehr Kapazität mitbringe als jede Straßenbahn. Die Hochbahn verwies stets auf die viel kürzeren
Fahrtzeiten, Dazu leiste die U5 einen wesentlichen Beitrag zur Mobilitätswende – denn wer U-Bahn fahre, verzichte am ehesten aufs Auto. Aber die Verkehrsbehörde hielt sich bereits eine Hintertür offen: Anjes Tjarks betonte, man dürfe die beiden Projekte nicht gegeneinander ausspielen. Zum Beispiel in äußeren Stadtgebieten sei eine Stadtbahn als Ergänzung der U-Bahn perspektivisch durchaus sinnvoll. Priorität hätten aber ganz klar die Projekte S4 und U5.