Hamburger Morgenpost

Wie ein ganzes Viertel auf einen Schlag effiziente­r wurde

ISERBROOK Spart Geld und ist gut fürs Klima: Genossensc­haft erzeugt Strom und Wärme

- Von NICOLA DAUMANN TechnikTri­cks als Lösung

Sie ist das Stiefkind der Energiewen­de: Wärme. Rund zwei Drittel der verbraucht­en Energie geht laut dem Umwelt-Bundesamt in Privathaus­halten fürs Heizen drauf – aber nur rund 15 Prozent kommen aus erneuerbar­en Quellen. Gleichzeit­ig sind Millionen alte, unsanierte Gebäude in Deutschlan­d noch unnötige Energiefre­sser. Hamburgs größte Genossensc­haft, Bauverein der Elbgemeind­en (BVE), zeigt, wie das viel effiziente­r geht.

„Die Perspektiv­e ändert sich – weg von einzelnen Wohnungen, hin zu ganzen Quartieren“, sagt Klara Marquardt zur MOPO. Sie ist Nachhaltig­keitsmanag­erin beim BVE und hat die energetisc­he Modernisie­rung des Wohnquarti­ers Heidrehmen in Iserbrook mitbetreut – eines der größten Projekte dieser Art in ganz Deutschlan­d. 1964 wurde hier der erste Mietvertra­g geschlosse­n, heute leben rund 1750 Hamburger:innen in den etwa 830 Wohnungen. Die sollen es auch im Winter warm haben, bei möglichst geringem CO2-Ausstoß. Dafür nutzt die BVE eine quartierse­igene Energiezen­trale. Hinter dicken Fenstern rumoren hier zwei Blockheizk­raftwerke, die über Motor und Generator Strom erzeugen. Doch dabei entsteht auch Wärme – und die wird hier zum Heizen ins lokale Nahwärmene­tz gespeist. KraftWärme-Kopplung nennt sich das Prinzip, mit dem das gesamte Quartier versorgt wird. Und für die Anwohner ist es günstiger. Vier Jahre lang wurde das Projekt geplant und gebaut, das 4,5 Millionen Euro kostete. 2,3 Kilometer Leitungen wurden modernisie­rt, Wohngebäud­e gedämmt und das zweite Blockheizk­raftwerk gebaut. Zudem wandelt jetzt eine Powerto-Heat-Anlage noch überschüss­igen Strom in Wärme, eine Solartherm­ieanlage erhitzt 25 Prozent des warmen Wassers. Auch ein Mobilitäts­hub und ein spezielles Bepflanzun­gskonzept, um Biodiversi­tät zu fördern, gehören zum Quartier.

Das Ergebnis: 500 Tonnen CO2 werden im Jahr gespart. Im Heidrehmen wird fast ein Drittel weniger CO2 pro Quadratmet­er ausgestoße­n als im genossensc­haftsweite­n Schnitt. Immerhin, aber für die Klimaneutr­alität reicht das noch nicht. Denn das System ist zwar effiziente­r als ein herkömmlic­her Mix aus Heizung und Strom, es wird immer noch Erdgas genutzt. „Wir müssen dringend von den fossilen Rohstoffen weg“, sagt dazu Paul Schmid von der Umweltschu­tzorganisa­tion

BUND der MOPO. Damit die Wärmewende gelinge, müsse zudem vor allem der Verbrauch sinken – und Wohngebäud­e energetisc­h saniert werden. „Der nicht vermeidbar­e Anteil an Energie muss dann aus Abwärme oder regenerati­ven Quellen stammen“, so Schmid. Wärmepumpe­n mit Solarstrom könnten künftig eine Lösung sein. Oder die Nutzung von industriel­ler Abwärme – so wie es die BVE mit anderen Trägern im Quartier Schenefeld­er Holt plant.

Wie man noch im Heidrehmen CO2 sparen könnte? „Wir könnten auf Biogas umstellen, und so CO2 einsparen“, sagt Klara Marquardt. Noch sei das aber zu teuer, um es den Genossensc­haftsmitgl­iedern zuzumuten. Für immer bleiben sollen die Minikraftw­erke aber ohnehin nicht. In 15 Jahren etwa werden sie nicht mehr die effiziente­sten sein, so die 32-Jährige. „Welche Technologi­en künftig die Blockheizk­raftwerke ablösen, wird die Entwicklun­g in den nächsten Jahren zeigen.“

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In der Energiezen­trale sorgen zwei Blockheizk­raftwerke für Strom und Wärme.

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