Hamburger Morgenpost

Knallharte­r Traumjob: Seit 40 Jahren „Handschuh“-Chef

Einst trank hier ein Serienmörd­er. Heute gibt’s alle Höhen und Tiefen. Die MOPO kam zum Gratuliere­n vorbei

- Von SAMIRA DEBBELER

Nur ein paar Schritte von der Reeperbahn entfernt, amHamburge­rBerg,befindet sich die wohl bekanntest­e Kneipe Hamburgs: „Zum Goldenen Handschuh“. Säufer und Luden und Prostituie­rte verkehren hier, ganz normale Leute aber auch. Für den Serienmörd­er Fritz

Honka war er so was wie das zweite Wohnzimmer. Seit genau 40 Jahren leitet nun Jörn Nürnberg das Lokal und sorgt dafür, dass der Laden läuft. Die MOPO hat ihm zum runden Jubiläum am 21. Juni einen Besuch abgestatte­t.

Dunkle Holzbänke, massive schwere Tische. Die Wände sind holzvertäf­elt. Zigaretten­qualm

hängt in der Luft. „Das hat hier einfach was“, sagt Karsten Löffler (59), der am Tresen steht, Bier trinkt und an seiner Fluppe zieht.

„Hübsche Restaurant­s gibt es an jeder Straßeneck­e, so was hier ist selten“, sagt er. „Hier trifft man Leute, die man noch nie gesehen hat, und man versteht sich einfach. Egal aus welchen Gesellscha­ftss ten. Wir sind wie e milie“, sagt der 59-Jä Das freut Jörn Nür der am Dienstag sein biläum als Geschäfts vom „Goldenen schuh“feiert. Geg wurde die Kneipe 19 seinem Vater Herber vor fast 70 Jahren. Mittlerwei­le leit Nürnberg die Knei

doch nicht mehr allein. Sein Sohn Marco ist mit eingestieg­en. Das Jubiläum wird in Kombinatio­n mit dem jährlichen Sommerfest zelebriert. „Heute gibt es alles für einen Euro. Und sogar Bratwürste vom Grill. Wir wollen uns damit bei unseren Gästen bedanken“, sagt Jörn.

Und die nehmen das gerne an, der Tresen ist voll besetzt. Im „Handschuh“scheint die Zeit stehen geblieben – die Gäste lieben es. In den 70er

Jahren allerdings sorgte die heutige Kult-Kneipe für grausige Schlagzeil­en. Serienmörd­er Fritz Honka trank dort Fanta-Korn und lernte Frauen kennen – die er später ermordete.

„Honka war damals mein Nachbar. Er wohnte in der Zeißstraße, genau wie ich“, sagt Dieter Franck (65), der heute auf der Veddel wohnt. „Der saß dann immer im ,Handschuh‘ und hat gesoffen“, erzählt er. Trotz der

Schauerges­chichten ist Franck gern Gast im „Goldenen Handschuh“.

Jörn Nürnberg erinnert sich lieber an die skurril-witzigen Momente. „Hier wurden schon Gebisse durch die Gegend geschmisse­n, vertauscht und wieder in den Mund gesteckt“, erzählt er. „Ein Gast hatte immer einen kleinen Hund dabei. Der Mann hat sehr viel getrunken. Irgendwann hatte er seinen Hund auf dem Arm und hat den Arsch geküsst, weil er nicht bemerkte, dass es nicht der Kopf war, sondern der Hintern des Hundes“, lacht Jörn.

Auch Bar-Frau Ina R. (47) hat einiges erlebt. „Hier passieren viele verrückte Sachen. Oft machen sich die Menschen nackig oder treiben sexuelle Sachen in den Ecken“, sagt sie. Schlimm findet sie das nicht. Bis sie jemanden rausschmei­ßt, dauert es, wie sie sagt. „Ich bin wirklich sehr tolerant“, sagt die 47-Jährige. Ein anderer Job käme für sie nicht infrage.

Trotz der schwierige­n Zeiten blicken Jörn und Marco Nürnberg optimistis­ch in die Zukunft. „Wir hatten immer mal Hochs und Tiefs. Jetzt sind gerade alle Kosten gestiegen, die Lieferante­n sind teuer oder können teilweise nicht liefern. Doch irgendwann wird es wieder besser werden“, sind sie überzeugt. Und so wird im „Goldenen Handschuh“friedlich weitergeza­pft, weiter gesoffen und weiter gequalmt – wie die letzten Jahrzehnte auch.

Hübsche Restaurant­s gibt es an jeder Straßeneck­e, so was hier ist selten. Karsten Löffler

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Barfrau Ina R. hat einiges erlebt. „Hier passieren viele verrückte Sachen, aber ich bin tolerant.“
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„HEUTE ist das Leben“steht auf einem Schild an den mit Fotos und Sprüchen geschmückt­en Wänden.

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