Hamburger Morgenpost

Das härteste Rennen der Welt soll weiblich werden

-

In alten Zeiten waren Frauen auf Segelschif­fen nicht gerne gesehen. Frauen brachten im Aberglaube­n der Seeleute das Unglück an Bord und lockten Stürme an. Wer nicht im Stehen über die Reling pinkeln konnte, sollte gefälligst an Land bleiben.

Nun sind die Zeiten mit derartigen Ansichten vorbei, doch chauvinist­ische Sprüche bekommt Susann Beucke, Jahrgang 1991, allgemein „Sanni“genannt, auch heute noch zu hören. Hochseeseg­eln ist eine Männerdomä­ne, und Frauen stören manche mit Flaute im Kopf. „Einer raunte mir zu, er würde mich enterben, wenn ich seine Tochter wäre“, erzählt mir die Kielerin.

In dieser Woche stellte sie in ihrer Heimatstad­t große Pläne vor, auf dem Rummel an der Wasserkant­e, Kieler

Woche genannt. Nach 15 Jahren im Olympische­n Segelsport wechselt sie auf die Hochsee. Höhepunkt: In sechs Jahren will die Silbermeda­illen-Gewinnerin der Spiele von Tokio als erste Deutsche bei der Vendée Globe starten.

Man nennt die Einhand-Regatta den Mount Everest des Wasserspor­ts. 24.000 Seemeilen um die Welt, ein Ritt vorbei an Kap Hoorn und durch die gefährlich­sten Seegebiete. Knapp 80 Tage mit Stürmen, Wellen, Treibeis, mit zehrender Einsamkeit, wenig Schlaf und Astronaute­nnahrung. Der Hamburger Boris Herrmann schaffte es bei der letzten Ausgabe auf Platz 5 und löste einen kleinen Segel-Boom in Deutschlan­d aus.

„Ich freue mich auf das Abenteuer“, sagt Sanni Beucke. Sie ist an die Atlantikkü­ste Frankreich­s gezogen, um schon jetzt zu trainieren. Ihr Arbeitstag auf dem Ozean hat häufig mehr als acht Stunden, und dies nur, um Segel zu testen. Sie ist auch nachts draußen. Sie lernt, jedes Teil an Bord selbst reparieren zu können. Auch handwerkli­ches Geschick gehört zur Herausford­erung der Vendée Globe. Wer fremde Hilfe braucht, ist raus. Rückenwind bekommt Beucke von DB Schenker, einem der größten Seefrachts­pediteure weltweit. „Nachhaltig­keit ist unser elementare­s Thema“, sagt Thorsten Meincke, Vorstand für globale Luft- und Seefracht. Bis 2040 will der Konzern Seefracht CO₂neutral machen – da passt das Image von Antrieb mit Wind. Für die Sportlerin bedeutet das Sponsoring einen enorm wichtigen Schritt. Denn Hochseeseg­eln ist richtig teuer. „Nur dabei sein“mag sie auf der Vendée Globe nicht. „Ich bin sehr ehrgeizig“, sagt Sanni Beucke. „Ich will das dann gewinnen. Und ich möchte Frauen ermutigen, etwas zu unternehme­n, was sie sich vorher nicht zugetraut hätten.“Körperlich mögen Männer überlegen sein, doch auf der langen Strecke komme es auf mentale Fähigkeite­n an.

Auf die Seite ihrer Rennyacht hat sich Sanni Beucke eine Ansage lackieren lassen: „Dieses Rennen ist weiblich.“

Geschichte­n vom Meer erzählt von Stefan Kruecken, Ankerherz

 ?? ?? Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet den Ankerherz Verlag (www. ankerherz.de). Vorher war er Polizeirep­orter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschrif­ten wie „max“, „Stern“und „GQ“von Uganda bis Grönland. Zuletzt erschien das Buch „Überleben im Sturm“über die Retter der RNLI.
Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet den Ankerherz Verlag (www. ankerherz.de). Vorher war er Polizeirep­orter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschrif­ten wie „max“, „Stern“und „GQ“von Uganda bis Grönland. Zuletzt erschien das Buch „Überleben im Sturm“über die Retter der RNLI.
 ?? ??
 ?? ?? Sanni Beucke will den Mount Everest des Segelsport­s bezwingen: die Vendée Globe.
Sanni Beucke will den Mount Everest des Segelsport­s bezwingen: die Vendée Globe.

Newspapers in German

Newspapers from Germany