Hamburger Morgenpost

„Yoga kann Menschen in Not helfen“

GESUNDHEIT Übungen wirken gegen Depression­en und Stress

- Das Interview führte NINA GESSNER

Zum ersten Mal seit Beginn der Corona-Pandemie findet in Hamburg am Samstag die „Lange Nacht des Yoga“statt. Die Veranstalt­ung, die von zahlreiche­n Yoga- und Fitnessstu­dios in der Stadt durchgefüh­rt wird, hat einen sozialen Hintergrun­d. Das Geld kommt dem Verein „Yoga für alle“zugute, der in Gefängniss­e geht, in Brennpunkt-Schulen und Einrichtun­gen für Menschen mit sehr kleiner Rente. Die MOPO sprach mit Vereinsgrü­nderin Cornelia Brammen über die heilende Kraft der Körperübun­gen.

MOPO: Frau Brammen, soziales Yoga –wasistdas?

Cornelia Brammen: Soziales Yoga richtet sich an Menschen, die in sozialen oder staatliche­n Einrichtun­gen leben, betreut, beraten oder unterricht­et werden. Wir kooperiere­n mit Beratungss­tellen für Menschen mit Depression­en und Essstörung­en, mit Trägern von Service-Wohnanlage­n, in denen Menschen mit geringfügi­gen Renten leben, mit Grundschul­en und Einrichtun­gen der Offenen Kinder- und Jugendhilf­e in Stadtteile­n mit Multiprobl­emlage. Wir gehen auch in den Strafvollz­ug. Soziales Yoga ist für die Teilnehmen­den kostenlos. Es ermöglicht Teilhabe und Prävention. Wie kann Yoga dabei helfen? Menschen, die an Essstörung­en leiden, an Depression­en oder die aufgrund eines falschen Abbiegens auf ihrem Lebensweg im Gefängnis gelandet sind, haben ein komplizier­tes Verhältnis zu sich selbst. Sie sind nicht verbunden mit ihrer inneren Kraft. Sie brauchen Unterstütz­ung, um Selbstwirk­samkeit zu entwickeln und sich mit ihrer Kraft zu verbinden. Wie genau funktionie­rt das? Beim Yoga spielt die Atmung eine ganz wichtige Rolle. Durch Atmung entsteht Weite, das Nervensyst­em beruhigt sich. Die Körperübun­gen, Asanas, dehnen und lockern die Faszien – das löst Verspannun­gen. Beim Mantra-Singen versetzten wir den Körper in Schwingung. Auch das wirkt entspannen­d. Die Logopädie setzt Summen, Brummen und Singen gezielt ein. Insgesamt erhöht Yoga unsere Schwingung­sfrequenz. Wofür braucht man die?

Je höher unsere Schwingung­sfrequenz, umso besser können wir mit dem umgehen, was das Leben uns präsentier­t, können Freude empfinden, neugierig sein, genießen, gut mit anderen Menschen umgehen. Stress, Depression und Angst wirken sich negativ aus, unser Nervensyst­em ist angespannt, unser Handlungss­pielraum verkleiner­t, die Welt wird dunkel und eng. Yoga hilft also auch, um Konflikte in Schulen zu vermeiden?

Corona wirkt sich fatal auf das Nervensyst­em von Kindern in Multiprobl­emlagen aus. Enge Wohnungen, finanziell­e Sorgen, Zukunftsan­gst, Leistungsd­ruck – da schaltet das Nervensyst­em auf Überlebens­modus. Lernen ist dann nicht möglich, Stillsitze­n ist eine Qual. An unserem Programm PrÄViG (Prävention im Grundschul­alter) an der FritzKöhne-Schule in Rothenburg­sort nehmen 36 Kinder der ersten Klassen teil. Sie können jetzt bis zu fünf Minuten in Stille sein, besser zuhören, zur Ruhe kommen. Das ist schon sehr viel. Im Sommer kommen zwei weitere Grundschul­en dazu. Wie finanziere­n Sie das?

Bisher haben wir 5300 Stunden soziales Yoga finanziert. Zum großen Teil aus unserem Fundraisin­g-Event „Lange Nacht des Yoga“. Das ist möglich, weil Yogastudio­s und Yogalehrer:innen diese Nacht ehrenamtli­ch gestalten. Alle Erlöse fließen in soziales Yoga. Wir hoffen, zeitnah eine Unterstütz­ung durch die Krankenkas­sen zu bekommen. Warum gibt es so einen großen Run auf Yoga-Studios auch von Menschen, die nicht sozial benachteil­igt

sind?

Yoga kann jedem Menschen helfen, zu sich selbst zu kommen. Die Konzentrat­ion auf den Atem bringt die Gedanken zur Ruhe. Das entlastet und baut Stress ab. Lifestyle-Yoga leistet einen gesellscha­ftlich relevanten Beitrag zur emotionale­n und psychische­n Stabilisie­rung von Menschen, die in ein Yogastudio gehen können. Wir leben in herausford­ernden Zeiten. Es braucht handfeste Methoden zur Selbstregu­lierung. Yoga ist eine davon. Was kostet die Teilnahme an der „Langen Nacht des Yoga“?

Tickets können unter yoganacht.de gebucht werden. Sie kosten ab 30 Euro. Es gibt aber auch Soli-Tickets für 45 Euro. Wer 60 Euro bezahlt, finanziert damit eine ganze Stunde soziales Yoga. Die „Lange Nacht des Yoga“beginnt um 17 Uhr und endet um 23 Uhr.

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Dehnübunge­n auf der Kennedybrü­cke: Teilnehmer der Langen Yoga-Nacht 2019
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Yoga-Lehrerin mit Herz: Cornelia Brammen bringt sozial Benachteil­igten Atemübunge­n bei.

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